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Hat der Fotojournalismus im digitalen Zeitalter eine Zukunft?
Berühmte Fotojournalisten sprechen über die Zukunft der Branche, und ihre Prognose wird sie vielleicht überraschen ...
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„Wir müssen tolle Geschichten erzählen, und die beginnen bei euch“, sagt Thomas Borberg, Photo Editor bei Politiken (Dänemark). Er war einer von vielen Branchenvertretern, die im Rahmen des Canon Student Programme auf dem Festival „Visa pour l'Image“ 2018 in Perpignan (Frankreich) eine zukünftige Generation von Fotojournalisten inspirierten und weiterbildeten.
In einer Welt, in der immer mehr Menschen digitale Kanäle nutzen, spielen Fotojournalisten eine zunehmend wichtige Rolle dabei, die Öffentlichkeit zu informieren. Aber in dieser sich schnell verändernden Medienlandschaft mit begrenzter Finanzierung und reduzierten Schulungsmöglichkeiten ändert sich auch die Zukunft des Fotojournalismus.
Um einen Beitrag zur Zukunftssicherung der Branche zu leisten, brachte Canon fast 200 Fotografiestudenten aus ganz Europa und Russland zum Festival des Fotojournalismus, wo sie während der Professional Week an verschiedenen Workshops teilnahmen. Führende Fotografen wie Daniel Etter, Catalina Martin-Chico, Maciek Nabrdalik, Ivor Prickett und Giulio Di Sturco teilten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse. Zu den Vortragenden gehörten auch der ehemalige Photo Director von Agence France-Presse Francis Kohn, Photo Editor in Chief Thomas Borberg von Politiken, Director of Photography Magdalena Herrera von GEO France und Photography Director Lucy Pike von WeTransfer.
„Die digitale Welt hat die Art und Weise, wie Inhalte konsumiert werden, völlig auf den Kopf gestellt“, erklärt Lucy Pike in ihrer Präsentation darüber, wie man als Nachrichtenfotograf in der heutigen Welt „dicke Kohle“ machen kann. „Ihr steckt jetzt als Fotografen in dieser völlig neuen Phase – ihr müsst euch Gedanken darüber machen, wie ihr Inhalte konsumieren möchtet.“
Sie betonte, dass die Studenten bei der Präsentation von Inhalten ihre Sichtweise und ihre Märkte erweitern müssen, da traditionelle Quellen zunehmend durch Angebote wie WePresent – ein Schwesterunternehmen des besser bekannten Dateiübertragungsdienstes WeTransfer – ersetzt werden, die Fotojournalisten in einer traditionelleren Funktion für ihre Plattform beauftragen.
„Indem wir Studenten Zugang zu praktischen Ratschlägen von professionellen Fotografen, verantwortlichen Redakteuren und Agenturvertretern bieten, hoffen wir, ihnen einen Vorteil auf diesem umkämpften Markt verschaffen zu können“, sagt Richard Shepherd, Canon Pro Marketing Manager bei Canon Europe Ltd. „Die Zukunft das Fotojournalismus und des Geschichtenerzählens ist so spannend wie eh und je. Wir hoffen, dass der Kontakt zu diesen einflussreichen Persönlichkeiten mehr junge Fotografen dabei unterstützt, ihre Karriere erfolgreich zu starten.“
Heutzutage werden die jungen Fotojournalisten von ähnliche Motivationen getrieben, wie die Generationen davor. Sie wollen die Welt durch ihr Objektiv dokumentieren und kritisieren. „Ich komme aus der Architektur. Ich begann mit dem Fotografieren von Bauwerken und richtete dann mein Fokus auf den Fotojournalismus, als ich meine Abschlussarbeit im Libanon machte“, erzählt Michele Spatari, ein Student am ISFCI in Rom (Italien) und Teilnehmer des Programms. Er hat bereits eine Anerkennung von Canon als „Aufsteigender Stern“ gewonnen.
„Das Faszinierendste am Fotojournalismus war für mich die Möglichkeit, einige der kritischsten Probleme von Menschen und ihren Lebensräumen zu sehen und verstehen zu können. Das fand ich wirklich interessant.“
In einem überfüllten Markt, in dem viele Fotografen in der Lage sind, qualitativ hochwertige Bilder aufzunehmen, müssen Fotojournalisten ein kreatives Angebot aufweisen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. „Ich mache auch Videos“, sagt Si Wachmann, Studentin des Lette-Vereins in Deutschland. „Jeder muss seine eigene Richtung entwickeln, aber ich glaube, dass es heute auf eine One-Man-Show hinausläuft. Man macht Videos, man macht Einzelbilder … Es gibt weniger Geld zu verdienen, daher muss jeder alles machen können. Es ist von Vorteil, wenn Fotografen einfach Fotografen sind und sich auf die Kunst und ihre Beherrschung konzentrieren können, statt alles tun zu müssen, um zu überleben. Das finde ich ein bisschen schade an der Zukunft der Branche.“
Die Studenten erkennen auch schnell andere Herausforderungen in der Branche: „Vielfalt ist das grösste Problem“, kommentiert Spatari. „Aber jetzt gibt es Debatte. Ich weiss nicht, ob die Veränderungen Einfluss auf die Auftragsvergabe haben oder zu einer vielfältigeren Betrachtungsweise der Welt führen, aber es gibt definitiv langsame Veränderungen.“ Beim Visa pour l'Image 2018 bilden Frauen im Fotojournalismus einen der Hauptdiskussionspunkte, und Canon feierte Frauen in der Fotografie mit einem Ausstellungsraum, in dem die Arbeiten der weiblichen Botschafter des Unternehmens präsentiert wurden.
Das Thema ist fest in den Köpfen der jüngeren Generation verankert. „Ich fühle mich als Frau in dieser Branche sehr wohl“, sagt Wachmann. „Wenn man hier über Fotojournalisten spricht, dreht es sich hauptsächlich um Männer. Es gibt fantastische Fotojournalistinnen, aber sie werden bei weitem nicht so oft erwähnt, da es einfach nicht so viele von uns gibt. Ich hoffe, dass sich das ändern wird. Ich bin glücklich, als Frau ein Teil dieser Veränderung zu sein.“
Die Ambitionen und Themen des Programms waren breit gefächert. So sprach Thomas Borberg z. B. über die Grundlagen der Entwicklung und Präsentation von Storys gegenüber Fotoredakteuren, während Daniel Etter über die Unsicherheit und die emotionale Wirkung von verheerenden Situationen referierte.
„Es ist ein intensiver, ehrlicher Einblick und damit genau das, was ich mir erhofft hatte“, sagt Michele Spatari. „Meine grösste Erkenntnis war, dass ich einem einzelnen langfristigen Projekt, das ich entwickeln kann, mehr Zeit widmen sollte. Ich hatte die Gelegenheit, mit einem Fotografen zu sprechen, der an langfristigen Projekten arbeitet und den ich sehr bewundere: Daniel Etter. Eine solche Chance bekommt man nicht oft.“
Es drehte sich jedoch nicht alles um Inspiration. Es ging auch darum, die Studenten zu bestärken und motivieren, all den Schwierigkeiten standzuhalten, die ihnen auf dem Weg zum Erfolg zweifelsohne begegnen werden. „Ihr dürft auch scheitern“, bestärkte Thomas Borberg die Teilnehmer. „Ihr seid jung und müsst Dinge ausprobieren. Erlaubt euch selbst, inkompetent zu sein und Fragen stellen und auch Dinge zu tun, die nicht richtig sind, und zu ihnen zu stehen. Das klingt einfach, aber es ist tatsächlich sehr schwierig.“
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