Wir wissen noch nicht, was 2021 bereithalten wird, aber wir wissen eines: Jeder Fotograf hatte in dem vergangenen Jahr eine einzigartige Geschichte zu erzählen.
Anders als in den meisten Jahren war jedes Genre der Fotografie von einem einzigen globalen Ereignis geprägt: Covid-19 zwang Fotografen auf der ganzen Welt, die Art und Weise ihrer Arbeit zu überdenken und dies führte zu einer Vielzahl an Projekten, die so nur 2020 hervorbringen konnte. Von einzigartigen persönlichen Projekten, die von unerwarteten Einschränkungen inspiriert wurden, bis hin zu jenen, die gezwungenermassen durch Veränderungen in der wirtschaftlichen Landschaft und einem komplett veränderten kulturellen Kalender entstanden sind.
Hier sind fünf Fotostorys, die alle auf verschiedene Weisen die Zeiten versinnbildlichen, in denen wir leben.
Fotostorys, die nur 2020 so hervorbringen konnte
1. Ein Clown in Moskau
Was passiert, wenn man einen Clown ohne Publikum und eine Dokumentarfotografin ohne Aufträge in einer Moskauer Wohnung einsperrt? Ein surreales und fantastisches Fotografieprojekt, welches das gleichermassen surreale Gefühl von Canon Ambassador und Magnum-Fotografin Nanna Heitmann und ihrem Freund Andrey widerspiegelt, als es im März 2020 erstmals Ausgangssperren in der russischen Hauptstadt gab.
Es war unklar, ob Journalisten in der Stadt unterwegs sein durften, und Clowns – der Beruf ihres Freundes – war es sicher nicht erlaubt. Sie hatten auch keine Aufträge, zu denen sie gehen konnten. „Ich blieb mit meinen Kollegen bei Magnum in Kontakt und alle teilten ihre Arbeit und Gedanken darüber, wie man diesen historischen Moment am besten fotografisch festhält“, erzählt Heitmann. „Das inspirierte mich dazu, Andrey, den Clown in Quarantäne, dabei zu fotografieren, wie er auf dem Dach jonglierte, Dosenmahlzeiten ass und mit seinen Puppen spielte. Wir versuchten, die Situation sinnvoll zu nutzen und eine Zuflucht zu finden“.
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2. Ein Paparazzi im Apennin
Wenige Menschen bringen Italien mit Bären in Verbindung, und bis zum Sommer 2020 wussten viele nicht, dass eine stark gefährdete Art mit weniger als 50 noch lebenden Exemplaren in dem Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise im Apennin zu finden ist. Doch dank der geschlossenen Flughäfen und der Tatsache, dass die Menschen sich mehr als je zuvor in der Natur aufhielten, wurde ein Marsischer Braunbär zu einer Art Touristenattraktion. Der Canon Ambassador und Naturfotograf Bruno D‘Amicis dokumentierte, wie sich in den normalerweise friedlichen und ruhigen Bergen plötzlich Fotografen mit Gesichtsmasken tummelten und ihre Teleobjektive auf eine Bärin und ihre vier Jungen richteten.
„Die Menschen wollen die Natur erleben, aber wenn sie keinen angemessenen Abstand halten, kann es sein, dass der Bär sich zu sehr an Menschen gewöhnt und vielleicht zu nahe kommt und so sich selbst und andere in Gefahr bringt“, erklärt Bruno. „Das Gute ist, dass die erhöhte Aufmerksamkeit für ein Interesse am Schutz des Bärs gesorgt hat.“
3. Die Kraft der Perspektive
Was um alles in der Welt machen diese Männer auf den drei Fotos am Anfang des Videos von Canon Ambassador Gulshan Khan? Die Antwort kommt am Ende des dreiminütigen Videoclips, aber dieses faszinierende und nachdenkliche Video wäre niemals realisiert worden, wenn die südafrikanische Fotografin sich in den ersten Monaten des Jahres 2020 nicht in so einer seltsamen Situation befunden hätte.
„Mein Plan für 2020 war es, weniger in der Berichterstattung zu arbeiten und mich mehr Dokumentationen zu widmen. Doch als die Pandemie ausbrach, war es schwierig, auf Reisen zu gehen und Projekte abzuschliessen“, erzählt Khan.
„Stattdessen stöberte ich durch mein Archiv und fand neue Bedeutung in alten Fotos.“ Sie wählte drei Fotos, die sie von einer Reihe Männer gemacht hatte, welche an einem Zaun im Township Soweto lehnten. Sie kreierte ein nachdenkliches Video, in dem sie die neuen Erkenntnisse teilt, die sie über die Gesellschaft gewonnen hat, als sie ein von ihr aufgenommenes Foto aus der Vergangenheit ansah.
Sie erstellte das Video für die renommierte Joop Swart Masterclass, deren Thema in diesem Jahr „Reset“ war. „Es brachte mich wirklich zum Nachdenken. Wir produzieren so viel und normalerweise bleibt keine Zeit, um zu reflektieren“, sagt sie. „Und indem wir zurückblicken und nachdenken, erkennen wir Muster: Was hat sich verändert und was muss sich noch verändern. Ich hoffe wirklich, dass alles, was 2020 geschehen ist, nicht vergeblich war und dass es uns dabei hilft, 2021 nachzudenken und zu reflektieren.“
4. Porträts – im Stil von 2020
Normalerweise geht er gern nah an die Gesichter von verschwitzten Boxern heran, die gerade einen Kampf verloren haben, oder springt in den Stierkampfring, um die Leidenschaft eines 12 Jahre alten Matador-Auszubildenden einzufangen. Doch in diesem Jahr musste sich der dänisch-kolumbianische Fotojournalist Nikolai Linares neue Möglichkeiten einfallen lassen, um die unverkennbaren Porträts und Reportagen aufzunehmen, für die er bekannt ist.
Mit viel Freizeit und wenig Sportevents und Veranstaltungen, die er fotografieren könnte, begann der Canon Ambassador ein persönliches Projekt: The Quarantines. Dafür machte er mit angemessenem Abstand bemerkenswerte Porträtaufnahmen von Menschen mit Covid-19-Symptomen, die sich in Selbstisolierung zu Hause befanden. „Die Bilder wurden durch die Fenster ihrer Häuser aufgenommen, um zu zeigen, wie Menschen in Quarantäne so nah und zugleich so fern von uns sind“, erklärt Linares.
Die Reportage wurde in einer dänischen Zeitung veröffentlicht, und Linares freiberufliche Arbeit nimmt jetzt wieder zu. „Ich denke, dass in Hinblick auf die Arbeit alles für eine Weile [mit bestimmten Einschränkungen] beim Alten bleiben wird, aber ich denke nicht, dass ein weiterer grosser Lockdown auf uns zukommt“, sagt er.
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5. Arbeit im Homeoffice – die Version eines Fotografens
Im März 2020 steckte der Canon Ambassador Jérôme Gence während des Lockdowns in Paris fest, nachdem sein Flug nach Taiwan storniert wurde, wo er eine Dokumentation drehen sollte. Doch das hielt ihn nicht davon ab, seinem Job nachzukommen. Gence passte sich an die extremen Umstände an und bat seine Fotografieassistentin in Taiwan, Chi-Hui Lin, ein Smartphone an ihrer Canon EOS 70D zu befestigen. Gence führte sie durch Taipeh, sagte ihr, was sie fotografieren und wie sie sich positionieren sollte, um die Motive so aufzunehmen, wie er es wollte. Auf diese Weise konnte er dokumentieren, wie das Leben ganz normal in der Hauptstadt Taiwans weiterging: mit den Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in Cafés und an Stränden, in einer Zeit, in der viele andere Länder aufgrund der Pandemie Einschränkungen in irgendeiner Form erlebten. Die dabei entstandene Reportage wurde in der Zeitung Le Monde veröffentlicht.
„Ich fragte mich, wie menschliche Fähigkeiten und Technologie vereint werden und mir so dabei helfen könnten, wichtige Geschichten zu erzählen, während ich mich an die Ausgangsbeschränkungen hielt“, erklärt Gence. Als Web-Analyst und Fotograf ist es seine Mission, die Beziehung zwischen Mensch und digitaler Technologie zu erforschen. Er wird auch 2021 zweifelsohne weiterhin die Grenzen davon erweitern, wie wir Kameras einsetzen.
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