Es kommt häufiger vor, dass Tiere berühmt werden. Nur wenige haben jedoch die Herzen und Köpfe der Menschen so erobert wie Sudan, das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn. Er ist leider im März 2018 verstorben, aber sein Vermächtnis lebt in vielerlei Hinsicht weiter. Das passiert nicht zuletzt dadurch, dass er weiterhin Naturschützer:innen in aller Welt inspiriert.
Sudans Leben begann in freier Wildbahn. Im Jahr 1975 wurde er dann im Alter von zwei Jahren zusammen mit einem anderen Männchen und vier Weibchen in den Zoo von Dvůr Králové in Tschechien gebracht. Ihre Gefangennahme war seinerzeit sehr umstritten. Paradoxerweise war es aber nur die Gefangenschaft, die Sudan lange genug am Leben hielt, um zu einem Symbol der Hoffnung zu werden.
Die Wilderei auf Nashörner hat ein katastrophales Ausmass angenommen und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sie nachlässt. Warum? Die Antwort ist ganz einfach: Geld. Der illegale Handel mit Nashorn-Horn ist für Wilderer ein lukratives Geschäft. Manche berichten von einem geschätzten Marktwert von rund 60.000 Euro pro Kilo. Im Vergleich ist Nashorn-Horn wertvoller als Gold oder Diamanten. Infolgedessen schrumpfen die Populationen im alarmierenden Tempo, weshalb nun alle Nashornarten bedroht sind.
Aus diesem Grund wurde Sudan im Jahr 2009 per Flugzeug nach Afrika zurückgebracht. Allerdings wurde er nicht an seinen Geburtsort gebracht, sondern in das Ol Pejeta Conservancy am Fusse des Mount Kenya. Hier wollte man ihn und die einzigen drei weiteren noch existierenden Nördlichen Breitmaulnashörner zur Fortpflanzung anregen. Sie standen rund um die Uhr unter bewaffnetem Schutz, denn ihr Seltenheitswert erhöhte natürlich auch den Wert ihrer Hörner.
Und während Sudan in Ol Pejeta unter den wachsamen Augen des leitenden Pflegers Zacharia Mutai lebte, bekam er jede Menge Besuch. Viele Besucher:innen trugen dazu bei, dass seine Legende als „das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn“ entstand.
Und viele, die Sudan bewunderten und unterstützen, waren Teil seines bewegten Lebens. In den letzten Monaten wurde seine Geschichte dann in unserer „World Unseen“-Ausstellung, die sowohl online als auch live als Wanderausstellung in ganz Europa zu sehen ist, auf eine ganz neue Art und Weise erzählt. Ein Foto von Sudan, das Canon-Ambassador Brent Stirton aufgenommen und „Rhino Wars“ genannt hat, wurde für Blinde und Sehbehinderte durch taktilen Reliefdruck, Beschreibungen in Blindenschrift, gesprochene Beschreibungen durch den Fotografen selbst und Tondokumentationen, zum Leben erweckt.
Als diese Ausstellung nach Schweden kam, wurde sie durch ein Spendengaladinner der Perfect World Foundation angekündigt. Ragnhild Jacobsson gründete diese Organisation, um Wildtiere und die Natur in Krisen zu unterstützen. Auch Ragnhild Jacobsson wurde durch eine Begegnung mit Sudan im Jahr 2013 inspiriert. Seitdem ist das Nashorn ein zentrales Symbol ihrer Wohltätigkeitsorganisation. Aus diesem Grund war es für das Team von Canon Schweden nur logisch, die Spendenaktion der „Perfect World Foundation“ zu unterstützen. Es stellte einen Druck von „Rhino Wars“ für die Versteigerung auf der Veranstaltung zur Verfügung. Der Erlös ging direkt an das letzte Zuhause von Sudan, dem „Ol Pejeta Conservancy“.
„Sudan war für uns schon immer ein Symbol. Darum hat die Perfect World Foundation auch das Ol Pejeta Conservancy unterstützt, indem wir z.B. den Bau neuer Zäune am Gehege der Nördlichen Breitmaulnashörner von Sudan und seiner Familie ermöglichten“, erklärt Ragnhild Jacobsson. „Aber wir wollen, dass alle Nashörner sicher sind.“
Warum nehmen wir an, dass es in der Welt eine Hierarchie gibt, bei der wir an der Spitze stehen?“
Als sie aus erster Hand von der Gefährdung der Nashörner in Ol Pejeta, dann in einem anderen Projekt namens Solio und auch in Simbabwe („wo alle Nashörnern von Wilderern bedroht sind“) erfuhr, stand für Ragnhild Jacobsson fest, dass die Nashörner exemplarisch für die akute Bedrohung durch das Aussterben von Tierarten stehen. Deshalb wird jedes Jahr bei der Stiftungsgala einer besonderen Persönlichkeit der Titel „Naturschützer des Jahres“ verliehen. Diese Person hat das weltweite Bewusstsein für Umweltfragen im betreffenden Jahr ganz besonders geschärft und erhält als Auszeichnung „The Fragile Rhino“ (das zerbrechliche Nashorn). Die von Sudan inspirierte Statue ist ein Unikat aus mundgeblasenem Glas, das von dem berühmten schwedischen Glasmacher Kosta Boda gefertigt wurde.
Zwei stolze Besitzer eines solchen „Fragile Rhino“ sind Sir David Attenborough und Dr. Jane Goodall. Es ist jedoch vielsagend, dass auf den Fotos der Verleihung diese schöne, transparente Skulptur sofort alle Blicke auf sich zieht, selbst wenn sie in den Händen von international derart bekannten Persönlichkeiten liegt. Wenn man das zarte Glas in der Hand hält, spürt man förmlich den auffälligen Kontrast zur Stärke des Tieres. Es ist die perfekte Metapher für die prekäre Lage des Nashorns in einer gefährlichen Welt. Tatsächlich sind die Parallelen zu dem Moment unübersehbar, als Brent Stirton im Rahmen von „World Unseen“ dem blinden Naturschützer Lawrence Gunther den taktilen Druck von „Rhino Wars“ übergab. Auch er spürte die Macht und die Tragödie von Sudan unter seinen Fingerspitzen. Und es rührte ihn zu Tränen. „Ich hätte nie gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem ein Foto derartige Gefühle in mir auslöst.“
Sudans Vermächtnis ist noch nicht abgeschlossen. Sein Tod hat zu noch grösserer Entschlossenheit geführt, diese Art zu retten. Die Embryonen von zwei der verbliebenen Nördlichen Breitmaulnashörnern – Sudans Tochter und Enkelin – werden derzeit einer In-vitro-Behandlung unterzogen, bei der genetisches Material verwendet wird, das männlichen Tieren vor ihrem Tod entnommen wurde. Vielleicht wird Sudan also nicht für immer das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn sein. Aber er wird immer ein Symbol dafür sein, wie viel wir zu verlieren haben.
Besuchen Sie die „World Unseen“ Website. Dort können Sie alle Bilder erkunden, sich die ausführlichen Audiobeschreibungen anhören und mehr über die Technologie erfahren, mit der diese Bilder produziert wurden.
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