PORTRÄTFOTOGRAFIE

Kreativ werden: So fotografiert man abstrakte Porträts

Gib deinen Porträtaufnahmen ein zusätzliches Element und experimentiere mit Mehrfachbelichtung, Lichtmalerei, Schattenspielen und vielem mehr für erstaunliche Abstraktionen.
Mehrere bunte Lichtspuren umkreisen ein Model vor einem schwarzen Hintergrund, das die Hände in die Hüften gestemmt hat.

Die Abstraktion der menschlichen Figur hat in der Geschichte der Kunst viele Formen angenommen, von Picassos kubistischen Formen bis zu den Skulpturen von Henry Moore. In der Fotografie kann uns ein abstraktes Porträt eine andere Realität erschaffen als die alltäglichen Gesichter und Körper, die wir alle zu sehen gewohnt sind. Es gibt keine Regeln, und nichts muss scharf oder exakt sein. Anstatt ein genaues Abbild unserer Motive einzufangen, können wir mit diesen Bildern Konzepte und Emotionen vermitteln. Es ist auch ein grossartiger Test für unsere Fähigkeiten im Umgang mit der Kamera und eine gute Gelegenheit für endlose Experimente und Spielereien.

1. Mit Schatten spielen

In diesem Schwarzweiss-Bild ist der Kopf eines Models von dem schwarzen Hintergrund eng umrahmt, wobei der Schatten eines Mandalamusters auf ihre Stirn und über den Rest ihres Gesichts fällt.

Dieses Schwarzweiss-Porträt hebt das Spiel von Licht und Schatten perfekt hervor. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon RF 50mm F1.8 STM Objektiv bei 1/500 Sek., F4 und ISO 100.

Ein Modell sitzt im Sonnenlicht vor einem schwarzen Hintergrund, wobei eine Mandala-Schablone auf einem Stativ angebracht und so vor sie positioniert wurde, dass es Schatten auf ihre Haut wirft.

Eine kreisförmige Mandala-Schablone, die zwischen der hellen Sonne und unserem Motiv platziert wird, wirft interessante Schatten. Das Canon RF 85mm F2 Macro IS STM bietet die ideale Brennweite für der derartige Nahporträts.

Warum erzeugst du nicht mal interessante Licht- und Schattenmuster auf deinem Motiv? Alles, was du dazu brauchst, ist eine Objekt mit Lücken oder Löchern, durch die das Licht eindringen kann. Diese Art von Lichtblockern werden im Englischen „Gobos“ genannt (kurz für „Graphical optical blackout“). Wahrscheinlich findest du zu Hause eine Menge Gegenstände, die sich dafür eignen. Lose gewebte Decken, Heizkörperabdeckungen, Lamellenjalousien, Siebe oder sogar Äste oder Gartentische aus Metall könnten sich alle dafür eignen. Hier haben wir eine Schablone mit einem kreisförmigen Mandala-Muster verwendet. Natürlich kannst du deine Gobos auch mit einem Stück Karton und einer Bastelschere selbst basteln.

Und damit du mit deinem Gobo gut definierte Schatten erzeugst, ist die Verwendung einer starken Lichtquelle erforderlich. Direktes Sonnenlicht ist ideal, aber du kannst auch eine Taschenlampe, eine nackte Glühbirne oder ein Speedlite Blitzgerät verwenden. Je kleiner die Lichtquelle ist, desto härter und klarer werden die Schatten. Bringe das Gobo so nah wie möglich an das Gesicht heran, und wenn du künstliches Licht verwendest, stelle die Lichtquelle weit weg und schalte alle anderen Lichter aus. Das Tolle an abstrakten Porträts ist, dass man nicht unbedingt eine Profiausrüstung braucht, um gute Ergebnisse zu erzielen. Eine einsteigerfreundliche DSLR wie die Canon EOS 850D mit Kit-Objektiv oder einem Porträt-Objektiv wären ideal. Was die Kameraeinstellungen betrifft, so solltest du den Modus Zeitautomatik (Av) verwenden und die Belichtungskorrektur einsetzen, damit die Schatten wirklich deutlich sichtbar werden.

2. Surreale Spiegelungen festhalten

Eine Kamera wird nahe an den Boden gehalten und zielt auf sich überlappende Spiegelscherben.

Spiegelscherben können für stimmungsvolle Porträts verwendet werden. Das dreh- und schwenkbare LCD der Canon EOS R6 ist sehr praktisch, wenn man wie hier in Bodennähe fotografiert.

Einige Spiegelscherben liegen auf dem Boden, wobei das grösste Stück den Kopf und den Oberkörper eines Mannes widerspiegelt, der wegschaut.

Erzähle eine Geschichte über Identität und das Selbst mit Spiegelscherben. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon RF 50mm F1.8 STM Objektiv bei 1/60 Sek., F22 und ISO 640.

Spiegel können starke Gefühle in Bezug auf das eigene Ich und die eigene Identität hervorrufen und sind daher ein ideales Requisit für abstrakte Porträts. Bei der Arbeit mit Spiegeln besteht die Herausforderung darin, den richtigen Winkel zu finden und das Motiv im Spiegelbild zu positionieren. Ausserdem musst du dich vorher entscheiden, ob du die gespiegelte Figur oder den Spiegel selbst fokussieren willst, da sich beide auf unterschiedlichen Schärfeebenen befinden. Wenn du willst, dass beide scharf sind, solltest du eine kleine Blendenöffnung wie F16 wählen, da du so mehr Schärfentiefe erzielst.

Mit einem Spiegel kannst du eine ganze Reihe von abstrakten Bildern aufnehmen, mit Selbstporträts experimentieren und neue Blickwinkel schaffen. Wenn du einen kleinen Handspiegel hast, kannst du ihn der Person nahe ans Gesicht halten und so ein surreales Porträt erstellen. Alternativ kannst du auch mehrere grosse Spiegel verwenden und so den Effekt eines unendlichen Bildes erzeugen.

3. Gesichter mit Licht bemalen

Mehrere bunte Lichtspuren schlängeln sich vor dem schwarzen Hintergrund um den Kopf und den Oberkörper eines Modells.

Bunte Lichtspuren können einen dramatischen, fantastischen Effekt erzeugen. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon RF 24-105mm F4-7.1 IS STM Objektiv bei 44mm, 8 Sek., F16 und ISO 100.

Ein Model steht mit einer Hand an der Hüfte vor einer Kamera mit Stativ. Hinter ihr hält ein Mann eine sich drehende, mehrfarbige LED-Leuchte hoch.

Mit einer Taschenlampe oder einer sich drehenden LED (die man selbst zu Hause herstellen oder auf der Kirmes kaufen kann) lassen sich durch Langzeitbelichtung wirbelnde Lichtspuren um das Model herum erschaffen.

Während wir die Realität von einem Moment zum nächsten erleben, kann eine Kamera verschiedene Zeitspannen in einem einzigen Bild zusammenführen. Bei einer Langzeitbelichtung setzen wir sehr lange Belichtungszeiten ein, um die unterschiedlichsten abstrakten Effekte zu erzielen, wobei einer der auffälligsten die Lichtmalerei ist.

Indem du eine Lichtquelle, z.B. eine farbige Taschenlampe, während einer Belichtungszeit von mehreren Sekunden im Bildausschnitt herum bewegst, kannst du beeindruckende Lichtspuren erzeugen. Um Porträts mit Lichtmalerei zu erstellen, musst du in einem dunklen Raum fotografieren (es muss nicht völlig dunkel sein), das Motiv bitten, so unbewegt wie möglich zu bleiben, und die Kamera auf einem Stativ aufstellen. Die richtigen Belichtungseinstellungen hängen von der Stärke der Taschenlampe und dem Umgebungslicht ab, aber ein guter Ausgangspunkt ist der manuelle Modus (M) mit einer Belichtungszeit von 13 Sekunden, Blende F16 und ISO 100. Drücke dann den Auslöser und schwenke die Taschenlampe oder eine andere Lichtquelle in fliessenden Linien um das Motiv herum, damit Lichtmalerei entsteht. Versuche dabei, sowohl vor als auch hinter dem Motiv zu malen, um dem Effekt mehr Tiefe zu verleihen, und leuchte mit der Taschenlampe in Richtung des Gesichts, um auch dieses zu beleuchten – denke daran, das von der Seite aus zu tun, damit du selbst auf dem finalen Bild nicht zu sehen bist.

4. Durch Glas fotografieren

Ein Mann hält eine Kamera an sein Auge und fotografiert durch eine mit Wassertropfen besprenkelte Glastür das Modell dahinter.

Aufnahmen durch Glas können das Motiv leicht unscharf oder undeutlich machen, während Wasser auf dem Glas für weitere atmosphärische Effekte sorgt.

Eine Frau schaut mit geschlossenen Augen zur Seite. Sie ist unscharf abgebildet und wird durch ein Glas mit herabrinnenden Wassertropfen betrachtet.

Eine grosse Blendenöffnung von F2.8 und die enorme Schärfe des Canon RF 50mm F1.8 STM Objektivs ermöglichen es uns, die Wassertropfen auf dem Fenster in den Vordergrund zu stellen, während das Gesicht dahinter unscharf bleibt. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 bei 1/200 Sek., F2.8 und ISO 320.

Durchscheinende Oberflächen sind ideal für abstrakte Porträts. Milchglas, dünne Seide oder eine andere halb durchsichtige Oberfläche, die zwischen Motiv und Kamera platziert wird, verdeckt die Details, lässt aber den Eindruck des Gesichts bestehen, was zu Porträts von ätherischer Schönheit führt. Versuche, das Motiv auf einer Seite des Fensters zu platzieren, mit dem Gesicht zum Licht, und fotografiere dann aus einer Position hinter der Scheibe. Experimentiere mit dem Fokuspunkt – vielleicht möchtest du auf die Oberfläche der Scheibe fokussieren, so dass das Gesicht dahinter unscharf ist. Ein Spritzer Wasser auf dem Glas kann eine wunderbare melancholische Stimmung erzeugen, insbesondere bei Aufnahmen an einem bewölkten Tag.

5. Mehrfachbelichtungen

Die Umrisse von Gesicht und Schultern einer Frau sind mit wirbelnden roten und blauen Farben ausgefüllt.

Wenn du ein Porträt vor einem hellen Hintergrund aufnimmst, kannst du eine Doppelbelichtung verwenden, um nur die Umrisse des Porträtierten hervorzuheben. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon RF 50mm F1.8 STM Objektiv bei 1/250 Sek., F5 und ISO 100.

Das LC-Display einer Kamera zeigt den Kopf und die Schultern einer Frau vor einem hellen Himmel, überlagert von blauen und roten Farbspritzern.

Mit dem Modus Mehrfachbelichtung der Canon EOS R6 lassen sich Porträts mit jedem beliebigen anderen Bild überblenden. Wir haben diese Farbspritzer für lebendige Ergebnisse eingefangen.

Mit dem Modus Mehrfachbelichtung deiner Canon Kamera kannst du zwei oder mehr Fotos zusammenfügen, um konzeptionelle Bilder und abstrakte Effekte zu erzeugen. Der Effekt ist von der alten Filmkamera-Technik inspiriert, bei der das gleiche Bild zweimal belichtet wird. Aber mit einer Canon Kamera wie der EOS R6 kannst du das Ganze auf ein neues Niveau bringen. Nachdem wir im Kameramenü die Anzahl der Aufnahmen ausgewählt haben, beginnen wir mit dem ersten Foto. Während wir die Bildkomposition für die zweite Aufnahme vornehmen, wird das vorherige Bild bereits über die aktuelle Livebildansicht gelegt, was uns dabei hilft, die beiden Aufnahmen harmonisch aufeinander abzustimmen. Du kannst diesen Effekt auch in der Nachbearbeitung mit Canon Digital Photo Professional (DPP) erzielen.

Wenn du Porträts mit Doppelbelichtung aufnimmst, solltest du dein Motiv im Profil vor einem hellen Hintergrund wie dem Himmel oder einem Fenster fotografieren. Wenn du dann das zweite Bild aufnimmst, passt es sich dem kräftigen Umriss des Kopfes an. Was das zweite Bild (oder das dritte, vierte oder fünfte) angeht, so sind die kreativen Möglichkeiten grenzenlos. Du kannst ein Stadtbild oder eine Naturszene wählen, ein Objekt auswählen, das deinem Porträtmotiv am Herzen liegt, ein Tier oder sogar eine andere Person einfügen.

Wenn du das nächste Mal ein Porträt aufnehmen willst, solltest du genauer darüber nachdenken und vielleicht einen oder mehrere dieser Tipps anwenden, um den Ausdruck zu verstärken.


Verfasser: James Paterson

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