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Paolo Verzone über eine Werbekampagne, die die Elemente bezwang
Wie stellt man Behaglichkeit in einer der unwirtlichsten Umgebungen der Welt dar? Vor dieser Herausforderung stand Canon Botschafter Paolo Verzone Anfang dieses Jahres, als er für einen Auftrag einen Monat auf der Diskoinsel an der Westküste Grönlands verbrachte. Verzone dokumentierte jede Phase eines Mammutprojekts mit einem riesigen Eisbrecher, einer Gruppe von Wissenschaftlern, drei waghalsigen Kesselmonteuren und einem Team von Hunden, die einen Schlitten durch einen Schneesturm zogen.
„Man ist einen Monat lang mit einer Crew an diesem sehr seltsamen, magischen Ort und muss unbedingt als Team zusammenarbeiten, sonst ist man tot“, erklärt Verzone, der kürzlich von seinem Auftrag zurückgekehrt ist, per Telefon aus Italien. Das gnadenlose Gebiet der Insel verzeiht keine achtlosen Erkundungen. Alle Aspekte vom Transport bis zum Kameramanagement mussten sorgfältig geplant und durchgeführt werden, damit das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Wie kam Verzone überhaupt zu einer solchen Mission? Alles begann vor einigen Monaten, als Ariston, ein globaler Hersteller von Heizungs- und Wasserheizlösungen mit Sitz in Italien, einen Fotografen für seine weltweite Werbekampagne „The Ariston Comfort Challenge“ benötigte, die von J. Walter Thompson Italy entwickelt wurde. Die Herausforderung von Ariston bestand darin, ein Haus (die „Ariston Comfort Zone“) zu bauen und zu beheizen, das Forscher der Universität Kopenhagen auch bei extremen Wintertemperaturen warmhalten würde. Verzone wurde beauftragt, alles von der langen Reise zur Diskoinsel und den einzelnen Wegen zur Abholung der Baumaterialien am Hafen bis hin zum schwierigen Bauvorgang und den wetterbedingten Rückschlägen zu dokumentieren.
Verzone ist die Arktis nicht fremd. Für einen Auftrag von Vanity Fair war er bereits in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands und für Le Monde auf Spitzbergen und in Sibirien. Dennoch war das Projekt für Ariston ein Abenteuer. „Es ist eine lange Reise dorthin“, sagt Verzone. „Wir kamen in Kangerlussuaq an und flogen dann in die Mitte Grönlands, wo es einen grossen Umschlagplatz gibt. Von dort aus stiegen wir in ein anderes Flugzeug und warteten dann zwei Tage in Ilulissat, bis uns ein Hubschrauber auf der Diskoinsel absetzte.“
Die Stadt, von der aus sie mit dem Hubschrauber weiterzogen, ist als „Eisbergfabrik“ bekannt, da sie die meisten Eisberge der Welt beheimatet, die sich ständig im Gewässer zwischen der Stadt und der Insel bewegen. „Jeden Tag sieht man neue Eisberge eintreffen, daher können normale Schiffe nicht zur Insel gelangen“, erklärt Verzone. „Auf der Diskoinsel mussten wir zum Hafen gehen und warten, bis das ganze Baumaterial mit einem riesigen Eisbrecher eintraf. Alles an diesem Auftrag war ungewöhnlich.“
Das Team fotografiere und filmte mehrere Tage auf dem gefrorenen Meer, was bei einer Landschaft, die sich ständig verändert, riskant war. „Teile des Eises, die trittfest zu sein scheinen, können sehr schnell schmelzen. Wir zogen mit Einheimischen los, die manchmal mit ihren Stöcken gegen das Eis stiessen, und obwohl es sicher aussah, stachen die Stöcke direkt hindurch. Für das ungeschulte Auge sieht alles ganz gleich aus, was erschreckend war“, sagt Verzone.
Auf der Reise gab es auch andere Gefahren, die es zu beachten galt. „Manchmal fanden wir Eisbärspuren, die laut den Inuit frisch waren. Sie warnten uns, dass sich Eisbären gerne in Rissen im Eis verstecken und einen beobachten. ‚Sie wollen dich fressen, und sie sind wahrscheinlich nur 500 Meter entfernt.‘“
Aufnahmen einer sich ständig verändernden Landschaft
Aus fotografischer Sicht brachten das Wetter und die vielen Eisberge ihre eigenen Herausforderungen mit sich. „Die Umgebung änderte sich jeden Tag. Es ist nicht wie in einem Studio, wo man alles vorbereiten kann. Man fotografiert also gerade einen Eisberg, und dann kommt ein sehr starker Wind auf und verändert alles, sodass man sich an die Umgebung anpassen muss“, erklärt Verzone.
Der er zusammen mit Vertretern der Werbeagentur reiste, konnte Verzone unerwartete Umstände direkt besprechen und die Aufgabenbeschreibung anpassen. „Wir hofften auf leichten Schnee und bekamen stattdessen tagelang einen ausgewachsenen Schneesturm, der viel interessanter war. Ich hatte eine präzise Shotlist geplant, aber eben mit leichtem Schnee. Letztendlich mussten wir sie an den Schneesturm anpassen, sodass nur etwa 50 % der Liste der ursprünglichen Aufgabenbeschreibung entsprach“, so Verzone.
Der Transport der Baumaterialien vom Hafen zum Standort des Hauses per Hundeschlitten war eine besonders schwierige Aufgabe im Rahmen von Verzones Reportage. „Es war spätabends, -17 °C, und es schneite stark. Die Hunde bewegten sich, und es war dunkel“, sagt Verzone.
Bei diesen extremen Situationen nutze er seine Canon EOS-1D X Mark II, die sich laut seiner Aussage perfekt für das Verfolgen beweglicher Motive im Dunkeln eignet. „Das Motiv bewegte sich extrem schnell, und ich musste rasch verschiedene Winkel abdecken, weil es kalt war und ich nicht lange draussen bleiben konnte. Ich musste also bei schlechter Sicht schnell auf die Geschehnisse reagieren können, wofür die Kamera perfekt geeignet war. Ich konnte einfach den ISO-Wert ganz ohne Bildrauschen erhöhen.“
Manchmal legte sich Verzone flach auf den Boden, um sich in den Felsen zu tarnen und so für die Drohne, die die Crew von oben filmte, unsichtbar zu werden. In anderen Situationen fuhr er auf einem Schneemobil, um das sich bewegende Motiv zu verfolgen.
Verzone brachte auch seine Canon EOS 5DS R für Porträts mit atemberaubenden Details in kontrollierbareren Situationen und seine Canon EOS 5D Mark IV mit – seine Lieblingskamera für die meisten anderen Szenarien bei schwachem Licht. „Sie hat einen Sensor, der reagieren kann, und die Bildqualität ist fantastisch“, sagt Verzone. „Man kann bis zu ISO 6.400 ohne irgendwelche Probleme mit Bildrauschen gehen und Ergebnisse erreichen, die vor einigen Jahren höchstens bei ISO 800 möglich gewesen wären. Dadurch bietet sie einfach viel mehr als andere Kameras in der gleichen Situation. Die Kamera verändert die Art und Weise, wie man ein Bild erzeugt, da sie sich an den Fotografen anpasst, statt umgekehrt.“
Fotografietechniken in der Arktis
Für die wichtigen Aufnahmen des Hundeschlittentransports bei Nacht nutzte Verzone vor allem seine beiden Zoomobjektive der professionellen L-Serie von Canon, das Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM und das Canon EF 100-400mm f/4.5-5.6L IS II USM. „In der letzten Phase spielte der Hauptcharakter – einer der Monteure – mit den Hunden. Ich musste daher auf zwei verschiedenen Ebenen arbeiten, d. h. den Hauptcharakter in der Nahaufnahme zeigen und gleichzeitig die Geschichte der Szene aus der Ferne erzählen. Ich hatte keine Zeit, die Objektive zu wechseln, deshalb musste ich die beiden Aufnahmen innerhalb von 20 Sekunden mit demselben Objektiv machen.“
Um diese Flexibilität zu ermöglichen, trug Verzone zwei Kameragehäuse bei sich, eines für jedes Objektiv. „Wenn die Hunde weit entfernt waren, nutzte ich das 100-400 mm, aber da sie sich schnell bewegten, musste ich ab einem gewissen Punkt zum 24-70 mm wechseln, um die Hunde in der Nahaufnahme zu erfassen. Man kann einer Geschichte aus der Entfernung bis zu einem Abstand von 20 cm perfekt folgen.“ Beim Fotografieren der Hunde in Bewegung bei Nacht nutzte Verzone einen einzigen Fokuspunkt. „Ich wollte meine Canon EOS-1D X Mark II verwenden, da sie eine sehr gute Fokussierung bei schlechten Lichtverhältnissen bietet. Selbst bei völliger Dunkelheit brauchte ich nur das Licht einer der Stirnlampen eines Monteurs oder meiner Taschenlampe, die ich auf das Motiv richtete. Das genügte der Kamera, um den Fokus zu setzen und weiterzumachen.“
Darstellung der Behaglichkeit
Nachdem die Ariston Comfort Challenge abgeschlossen war, stand den Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen ein gemütliches und behaglich beheiztes Haus auf dem Eis zur Verfügung, in dem sie ihre Forschung durchführen können. Um diese Behaglichkeit zu verdeutlichen, betonte Verzone den Kontrast zwischen der extremen Umgebung und dem hellen, angenehm beleuchteten Haus. „Das Haus bietet Schutz und Wärme in einer Umgebung, die kalt und dunkel ist. Das Hauptmotiv ist aussen, aber das Haus im Hintergrund ist eine sichere Zuflucht“, erklärt er.
Jedes Mal, wenn er sich von den arktischen Temperaturen aussen in die warmen Innenbereiche bewegte, musste Verzone verhindern, dass seine Kameras durch Kondensation feucht wurden. Dazu brachte er die Kamera von den -17 °C aussen für ein paar Stunden in einen Zwischenraum mit -5 °C, bevor er sie mit herein nahm.
„Man bringt eine Kamera nie direkt von -17 °C Aussentemperatur in einen Innenraum“, erklärt Verzone. „Wenn es nicht anderes geht, sollte man sie in einen gut verschlossenen Kunststoffbeutel legen. Man muss die Kamera sicher im Beutel verschliessen, solange man draussen ist, und dann erst hineinbringen. Dann bildet sich die Kondensation aussen auf dem Kunststoffbeutel. Dann muss man allerdings zwei Stunden warten, bevor man den Beutel öffnet, da die Kamera sonst binnen einer Sekunde nass wird.“
Es war ein Segen, dass das Haus warm und bequem war, denn das Team sass nach Abschluss des Auftrags unerwartet weitere 10 Tage auf der Diskoinsel fest. „Wir mussten unsere Rückreise verschieben, weil wir nicht wegkamen. Der Sturm war so stark, dass keine Hubschrauber fliegen konnten, und es konnten auch keine Schiffe fahren, da Eisschollen um die Insel herum trieben. Wir gingen jeden Tag zum Heliport und fragten, ob heute ein Hubschrauber reinkommen würde, aber jeden Tag wurden wir wieder weggeschickt. Ich hatte also viel Zeit für Spaziergänge in dieser magischen, aber furchterregenden Landschaft“, so Verzone.
Verfasst von
Paolo Verzones Ausrüstung
Die Ausrüstung, die Profis für ihre Fotos verwenden
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