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Martin Parr: „Ich schaffe Fiktion aus Realität.“

A beach scene. A woman's foot with bright red nail varnish is in the foreground, while families relaxing by the blue sea and skies are in the background.
Am Strand von Nizza in Südfrankreich, 2015. Magnum Photos-Fotograf Martin Parr ist für seinen Dokumentarstil mit gesättigten Farben und heller Beleuchtung bekannt. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 50mm f/2.5 Compact Macro Objektiv. © Martin Parr/Magnum Photos

Martin Parr hat einen festen Platz als einer der bekanntesten und erfolgreichsten Dokumentarfotografen der Welt. Seine Arbeiten, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzen, befassen sich mit verschiedensten Themen, vom globalen Konsumismus und Massentourismus bis hin zum Lebensstil der Superreichen. Seine Fotos sind hell beleuchtet und zeichnen sich durch satte Farben aus. Sie heben die Eigenarten und Schwächen von Einzelpersonen und Gesellschaften mit Bildern hervor, die oft humorvoll und manchmal auch bissig sind.

Kürzlich gründete er die Martin Parr Foundation in Bristol, England, mit dem Ziel, britische Dokumentarfotografie zu präsentieren und seine eigene Fotokollektion sowie sein Archiv zur Schau zu stellen. Als wir ihn an einem hellen, sonnigen Morgen treffen, trägt er sein berüchtigtes Schuhwerk: Sandalen mit Socken. Er wirkt energiegeladen und fröhlich, behält aber seine angriffslustige, oberlehrerhafte Art und Weise bei, für die er bekannt ist. Er führt uns in den Büros der Stiftung herum und weist uns auf ein charakteristisches, kitschiges Element hin: seine Sammlung von sowjetischen Weltraumhund-Erinnerungsstücken, die die Küchenwände ziert.

Parr hat sich mit einem konstanten Nachschub an Fotobüchern einen Namen gemacht, darunter „The Last Resort: Photographs of New Brighton“ (1986), „Small World“ (1995) und „Common Sense“ (1999). Bis heute hat er mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Seit 1994 ist er Mitglied der prestigeträchtigen Agentur Magnum Photos und war von 2013 bis 2017 sogar ihr Vorstand. Er ist schon über 60 Jahre alt, liefert aber weiterhin zahlreiche Fotos ab. Ein neues Buch namens „Beach Therapy“ wird im Februar 2019 veröffentlicht, und eine grosse Ausstellung seiner Arbeiten namens „Only Human“ wird im März 2019 in der National Portrait Gallery in London eröffnet.

Hier erzählt Parr, wie er seinen unverwechselbaren persönlichen Stil entwickelt hat, welche Ausrüstung er verwendet, wie wichtig es ist, eine gute Datei zu bekommen, und warum es trotz technisch fortschrittlicher Kameras immer schwierig sein wird, wirklich tolle Fotos aufzunehmen.

Gesättigte Farben und Blitz

A red butterfly sits on the side of a white horse in the foreground. Behind, people in smart clothes walk around a field with a large white marquee.
Landwirtschaftsausstellung in Cheshire, Grossbritannien, 2015. „Gute Fotos aufzunehmen und eine persönliche Vision zu haben, wird nie einfach sein“, sagt Parr. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 50mm f/2.5 Compact Macro Objektiv. © Martin Parr/Magnum Photos

Sie begannen mit SW-Fotografie und bei natürlichem Tageslicht, wechselten aber in den frühen 1980er Jahren zu gesättigten Farben mit Tageslichtblitz. Wie kam es zu dieser radikalen Stiländerung?

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„Ich glaube, dass die beiden Stile enger miteinander verbunden sind, als Sie vielleicht vermuten. Räumliches Bewusstsein funktioniert bei beiden. Das habe ich von den amerikanischen Fotografen wie Garry Winogrand und Robert Frank gelernt.“

„Dann entdeckte ich Tony Ray-Jones, die wahrscheinlich einflussreichste Person in meiner Karriere, während ich in den frühen 70er Jahren an der Manchester Polytechnic studierte. Er hat die Fähigkeit, dieses räumliche Bewusstsein zu nutzen, in Amerika erlernt und nach Grossbritannien gebracht. Das fand ich sehr spannend.“

„Man könnte sagen, dass meine Schwarzweiss-Arbeiten die Gesellschaft feierten, während die natürlichen Farben – insbesondere ab meinen Aufnahmen von New Brighton, einem baufälligen Küstenressort [in der Nähe von Liverpool, GB] – eher als Kritik zu verstehen sind. Aber dennoch würde sagen, dass sich das räumliche Bewusstsein in irgendeiner Form durch all meine Arbeiten zieht.“

Nutzten bereits andere Fotografen Tageslichtblitz, als Sie begannen, diese Technik einzusetzen?
„Hier und da schon. Chris Killip nutzte zu Beginn seiner Karriere Blitz. Andy Earl, ein weiterer britischer Fotograf, nutzte ebenfalls schon früh Blitz und Farben. Ich erinnere mich, dass ich seine Bilder von Orten wie Ascot gesehen hatte und sehr an dieser Technik interessiert war. Also ja, diese Technik gab es schon, aber sie war nicht so beliebt, wie sie es jetzt ist.“

„Ich habe mich auch der Sprache der kommerziellen Fotografie bedient, bei der das Motiv hell beleuchtet wird und die Farben gesättigt sind. Es ging darum, diese Sprache, die uns in der Werbung und Mode überall umgibt, aufzugreifen und in einem dokumentarischen Kontext einzusetzen. Das war neu, aber ich behaupte nicht, dass nur ich auf diese Idee kam. Viele andere experimentierten ebenfalls auf diesem Gebiet. Ich habe diese Technik nur zu einem Teil meines Mantras gemacht, und das funktionierte sehr gut.“

A Liberation Day tea on Guernsey in 2012. Somebody spreads jam and cream onto a scone while in the foreground is a vivid Union flag and a vase of flowers.
Tee am Liberation Day in der Forest United Methodist Church auf der Insel Guernsey, 2012. Parr ist davon überzeugt, dass Lebensmittel Geschichten ebenso gut wie andere Motive erzählen können. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 50mm f/2.5 Compact Macro Objektiv. © Martin Parr/Magnum Photos

Haben noch andere Fotografen für Dokumentararbeiten ein Ringblitzlicht verwendet, wie Sie es später taten?
„Es gibt einige Beispiele für Bilder mit Ringblitzlicht in den 90er Jahren, aber diese Technik war nicht sehr verbreitet. Als ich die Kombination aus einem Makroobjektiv und einem Ringblitz entdeckte, empfand ich das, was sie mir bieten konnte, als sehr spannend. So konnte ich über Klischees wie Lebensmittel als Motiv nachdenken und zeigen, dass derartige Motive genauso viel über die Welt sagen können wie alle anderen.“

Wo lagen die Vorteile des Ringblitzes?
„Der wahre Vorteil bestand darin, dass der Blitz ein surreales Gefühl schuf, was mir sehr gefiel. Als ich mit dem langsamen ISO50-Farbnegativfilm arbeitete, sorgte der Ringblitz für intensive Farben. Damals mochte ich diese übermässig gesättigte Farbpalette gerne. Ich schaffe Fiktion aus Realität, und der Blitz ermöglichte es mir, die Realität von den Fotos zu trennen. Noch heute nutze ich oft eine Kombination aus Weitwinkelobjektiv und Ringblitz. Für mich geht es dabei weniger um die Technik als um Ästhetik.“

Grosse Kameras, grosse Dateien

Welche Hauptkamera verwenden Sie derzeit?

A family in a black car look up at Christmas lights and a USA flag outside a home.

Bieke Depoorter über das Überwinden von Grenzen und den Aufbau von Vertrauen

Fotografin Bieke Depoorter erklärt, wie sie ihre Position als Fremde auf der Durchreise nutzt, um Familienleben auf intime und aufschlussreiche Weise zu porträtieren.

„Meine aktuelle Kamera ist die Canon EOS 5D Mark IV [das Nachfolgemodell der Canon EOS 5D Mark III, mit der Parr die Bilder in diesem Artikel aufgenommen hat]. Ich habe alle Canon EOS 5D Kameras besessen. Ich habe auch eine EOS 5DS R, die ich für Werbeaufnahmen verwende. Aber ich finde, dass die EOS 5D Mark IV eine gute Kamera für Dokumentararbeiten ist, und die Dateigrösse ist genau richtig für mich. Meine Haupteinnahmequelle ist der Verkauf von Abzügen. Ich erledige auch Auftragsarbeiten, aber der Verkauf von Abzügen ist ein integraler Bestandteil davon. Daher brauche ich eine grosse Datei, die einen guten Ausdruck gewährleistet.“

„Ich bin kein Technikfreak, aber ich mag die Handhabung der Canon DSLRs. Sie sind sehr intuitiv. Ich greife immer wieder zu anderen Kameras, aber keine fühlt sich so gut in der Hand an. Ich verwende ausserdem ein Canon Speedlite 580EX II mit Diffusor als Blitzgerät, um das Umgebungslicht mit dem Blitz auszugleichen. Und mein Team und ich lieben den Canon imagePROGRAF PRO-4000 Drucker.“

Seit 2006 setzen Sie Digitalkameras ein. Hat das Ihre Arbeitsweise verändert?
„Ja, sie haben mir das Leben deutlich leichter gemacht. Der erste Vorteil besteht natürlich darin, dass ich nicht mehr alle 10 Aufnahmen den Film wechseln muss, wie es bei meinen Mittelformat-Filmkameras der Fall war. Ich erhalte eine vergleichbare Qualität und kann 520 Bilder auf einer Karte aufnehmen. Und die Ausrede, dass ich eine tolle Aufnahme verpasst habe, weil ich den Film wechseln musste, gibt es nicht mehr. Und es ist erstaunlich, dass ich mit bis zu ISO 6000 aufnehmen kann, ohne dass die Qualität leidet. Ein wenig Bildrauschen gibt es zwar schon, aber das Ergebnis ist bemerkenswert. Durch die Kombination dieser hohen ISO-Werte mit Blitz und verschiedenen Techniken lässt sich viel besser steuern, wie die Bilder später aussehen.

Und natürlich kann ich das Bild auf der Rückseite der Kamera sehen, sodass ich weiss, was mich erwartet. Das war für mich eine echte Offenbarung.“

A plate containing two frankfurter sausages, a roll, a gherkin and small dishes of sauces sits on a table.
Café Landtmann in Wien, Österreich, 2015. Parr glaubt, dass es bei einer Vision darum geht, eine „persönliche Beziehung zur Welt“ zu entwickeln. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 50mm f/2.5 Compact Macro Objektiv. © Martin Parr/Magnum Photos

Man sagt oft, dass die technischen Entwicklungen unsere Zeit zu einem goldenen Zeitalter für die Fotografie machen. Glauben Sie, dass das stimmt?
„Ja und nein. Man kann argumentieren, dass es heute technisch gesehen einfacher ist, Fotograf zu sein, weil man sich nicht mehr mit Belichtungen usw. befassen muss. Das machen die Kameras selbst. Aber es ist schwieriger, eine einzigartige Geschichte zu finden – eine einzigartige Beziehung zur Welt. Das ändert sich nie. Obwohl es also technisch einfacher ist und es heute mehr Plattformen für die Fotografie gibt als je zuvor, wird es nie einfach sein, gute Fotos aufzunehmen und eine persönliche Vision zu haben. Zum Glück, möchte man sagen, denn so kann man gute Fotografen von ausgezeichneten unterscheiden.“

Wie wichtig ist technisches Können für einen Fotografen?
„Nun, damit ich einen Abzug von 50 x 76 cm für eine Summe von 4.000 £ (über 4.500 €) verkaufen kann, muss ich einen guten Ausdruck haben. Daher besteht meine Hauptmotivation darin, die Technik unter Dach und Fach zu haben, damit die Ausdrucke an der Wand schön aussehen, d. h. sie müssen scharf sein, die Farben müssen stimmen und die Palette muss gut und ausgeglichen sein. Das Bild muss einfach funktionieren. Und es muss schön genug aussehen, damit es jemand kaufen möchte. Man muss also über die Technik verfügen, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. Daher nehme ich eine gute Datei und eine hochwertige Auflösung sehr ernst. Das ist wie bei einer Sprache: Je mehr Verben und Substantive man versteht, desto besser kann man genau das ausdrücken, was man sagen möchte.“

Welche Nachbearbeitungsschritte führen Sie durch?
„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Datei nachbearbeitet. Ich weiss einfach, dass die Bilder richtig aussehen, wenn ich sie mir ansehe. Louis, der diese Nachbearbeitung für mich übernimmt, kennt meine Palette in- und auswendig. Er weiss, was mir gefällt und wie ich sie gedruckt haben möchte. Es kommt also sehr selten vor, dass ich einen Druck für ‚daneben‘ erkläre. Wenn doch, dann bessern wir nach.“

Haben Sie irgendwelche Grundregeln für die Nachbearbeitung?
„Nicht wirklich, aber ich verstärke die Farben nicht, und ich entferne nichts, abgesehen von Hotspots vom Blitz, Reflektionen in den Augen und solchen Dingen. Wir werden nicht damit anfangen, zwei Bilder zusammenzusetzen, um ein besseres zu schaffen. Ich glaube an die Integrität des Bildes.“

Ein markanter Stil

A man in a vivid shirt looks through binoculars. In the background are crowds of people standing and sitting, and the towering buildings of Hong Kong behind.
Auf der Rennstrecke „Happy Valley“, Hongkong, 2013. „Es gibt viele verschiedene Arten, Menschen zu fotografieren, und ich nutze sie alle“, sagt Parr. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L USM Objektiv. © Martin Parr/Magnum Photos

Interagieren Sie mit Ihren Modellen?
„Jede Situation ist anders. Manchmal interagiert man mit den Menschen, manchmal zieht man einfach stur sein Ding durch. Es gibt keine allgemeinen Verhaltensregeln, da jede Situation anders ist. Ich nehme heute viel mehr Porträts auf als früher, wobei ich dann natürlich das Motiv um seine Zustimmung bitte. Es gibt viele verschiedene Arten, Menschen zu fotografieren, und ich nutze sie alle.“

Kann es auch nachteilig sein, einen markanten Fotostil zu haben?
„Man könnte argumentieren, dass es mit der Zeit ein wenig formelhaft wird, weshalb ich immer wieder verschiedene Techniken anwende. Zum Beispiel veröffentliche in Kürze ein Buch namens ‚Beach Therapy‘, dessen Bilder ich mit einem Teleobjektiv aufgenommen habe. Viele Jahre habe ich den Strand als Versuchsobjekt genutzt, sobald ich mir eine neue Kamera oder ein neues Objektiv zugelegt hatte. Seit Kurzem verwende ich das Canon EF 70-300mm f/4-5.6 IS USM und habe viel an Stränden fotografiert. In den letzten vier Jahren habe ich mir so einen netten Bestand an Arbeiten aufgebaut.“

Die Briten haben Sie schon immer fasziniert. Was finden Sie an der britischen Identität so interessant?
„Das liegt vermutlich daran, dass sie so vielseitig und interessant ist und dass ich selbst Brite bin. Für mich lautet die Frage, wie ich unsere verrückte Nation in einer Reihe von Fotos festhalten kann. Das ist meine ständige Herausforderung.“

Was treibt Ihre Arbeit ab? Neugier?
„Ich schätze schon. Ich bin fasziniert von der Welt, in der wir leben, und ich versuche ständig, sie zu interpretieren und in Bilder zu verwandeln. Das ist keine einfache Aufgabe, aber dieser Prozess begeistert mich noch genauso wie vor 50 Jahren. Ich kann mir einfach nicht helfen.“

Verfasst von David Clark


Martin Parrs Ausrüstung

Die Ausrüstung, die Profis für ihre Fotos verwenden

A Canon EOS 5D Mark IV DSLR on a black background.

Kameras

Canon EOS 5D Mark IV

Die EOS 5D Mark IV ist eine sorgfältig konstruierte Allround-Kamera, die speziell für beste Leistung in jeder Situation konzipiert wurde. „Ich bin kein Technikfreak, aber ich mag ihre Handhabung“, sagt Parr. „Sie ist sehr intuitiv. Ich greife immer wieder zu anderen Kameras, aber keine fühlt sich so gut in der Hand an.“

Canon EOS 5DS R

Diese Kamera ist speziell für die ultimative Bildqualität konzipiert und bietet eine Auflösung von 50,6 Megapixel sowie einen Tiefpass-Aufhebungsfilter für eine erhöhte Schärfeleistung des Sensors. Parr sagt, er nutzt sie „wegen der grösseren Dateigrösse für Aufträge wie Werbeaufnahmen“.

Objektive

Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM

Dieses professionelle Standard-Zoomobjektiv bietet eine hervorragende Bildschärfe und robuste Qualität der L-Serie. Die konstante Blende von 1:2,8 ermöglicht herausragende Fotos selbst bei wenig Licht sowie eine einfache Steuerung der Feldtiefe.

Canon EF 70-300mm f/4-5.6 IS USM

Der innovative dreistufige Bildstabilisator (IS) macht das EF 70-300mm f/4-5.6 IS USM zum idealen Telezoom für Aufnahmen bei schwacher Beleuchtung und mit langer Verschlusszeit, da keine Verwacklungsunschärfen entstehen.

Drucker

Canon imagePROGRAF PRO-4000 Drucker

Ein Grossformatdrucker für Fotografie und Fine Arts – für einzigartige Produktionen bis 112 cm (44 Zoll) Druckbreite und höchste Zuverlässigkeit. „Meine Haupteinnahmequelle ist der Verkauf von Abzügen, und mein Team und ich lieben den Canon imagePROGRAF PRO-4000 Drucker.“

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