Aufnahmen in schwachem Licht sind keine leichte Aufgabe, das gilt für professionelle Fotografen genauso wie für Amateure. Wenn professionelle Fotografen einen Auftrag haben, müssen sie trotzdem etwas liefern, ob mit oder ohne Licht, ein kohärentes hochwertiges Ergebnis, um Kunden zufriedenzustellen. Wenn das Licht verschwindet, macht es keinen Unterschied, ob es sich um ergreifenden Fotojournalismus für die New York Times handelt, Aussenaufnahmen in einer Winterlandschaft in Lappland oder Modeaufnahmen im relativen Komfort des Studios. In allen Fällen müssen professionelle Fotografen blitzschnell handeln können, um jegliche Hindernisse bei der Belichtung zu bewältigen.
Wie machen sie das? Welchen Rat haben sie für die Fotografen, die sich für die Redline Challenge anmelden, die Fotografen weltweit dazu einlädt, ihre kreativen und technischen Grenzen zu überschreiten, indem sie sich mit der Beziehung zwischen Licht und Dunkelheit vertraut machen? Wir haben vier Canon Ambassadors aus verschiedenen fotografischen Genres zu Aufnahmen in den schwierigsten Lichtverhältnissen befragt: Zwei international anerkannte Dokumentarfotografinnen,Aline Deschamps, wohnhaft im Libanon, und Tasneem Alsultan, wohnhaft in Saudi-Arabien;Eliška Sky, eine preisgekrönte Fotografin im Bereich Bildende Künste und Mode, wohnhaft in London, UK; und Valtteri Hirvonen, einen Wildnisfotografen aus Finnland. Jeder Profi hat uns seine Tipps für „Licht im Dunkeln“ verraten und uns gezeigt, wie die Herausforderung des Fotografierens bei wenig Licht von Fotografen jedes Genres gemeistert werden kann.
Weitere Tipps und Einblicke finden Sie in den Videos von den Canon Ambassadors in der Redline Challenge YouTube Playlist.
Redline Challenge: Expertentipps zum Fotografien bei schwachem Licht
Aline Deschamps: Umgebung für eine wirkungsvolle Atmosphäre nutzen
Aufnahmen von Dokumentarporträts in schwachem Licht – oft in Innenräumen – können extrem schwierig sein, vor allem, wenn Authenzität von grösster Bedeutung ist. Die wenigen Möglichkeiten machen erfinderisch, man muss unkonventionell denken und das zu nutzen, was die Umgebung bietet. Die französisch-thailändische Dokumentarfotografin Aline Deschamps lebt in Beirut und bei ihrer Arbeit stehen Probleme im Zusammenhang mit Identität, Geschlecht und Migration im Vordergrund. Sie arbeitet oft in direkt in den Wohnungen der Menschen mit begrenzten oder sehr schlechten Lichtverhältnissen, weshalb sie noch kreativer mit ihrer Umgebung werden muss, um die Atmosphäre zu schaffen, die sie normalerweise mit Licht erzeugen würde.
„Wenn ich Flüchtlinge oder ausländische Haushaltshilfen in ihrer Wohnumgebung treffe, gibt es meistens nicht viele Fenster oder Tageslicht“, sagt sie. „Manchmal hängt nur eine einzelne Glühlampe von der Decke, die die ganze Wohnung beleuchtet, sodass die Bilder überhaupt keine Tiefe hätten. Ich versuche, dies nicht als Einschränkung zu sehen, sondern als Herausforderung, die Atmosphäre zu schaffen, die fehlt. Als erstes schalte ich das Deckenlicht aus und suche nach anderen Elementen, die schon da sind und die ich verwenden kann. Das kann viele verschiedene Formen haben. Wenn beispielsweise ein Fenster neben der Person ist, auch wenn es dunkel ist, gibt es vielleicht immer noch ein kleines bisschen Licht, mit dem ich experimentieren kann. Oder vielleicht haben die Personen Tischlampen oder Kerzen, oder eine andere Lichtquelle.
„Beobachten Sie, was es vor Ort in der Umgebung des Motivs gibt, überlegen Sie sich, wie Sie das Vorhandene einsetzen können, und probieren Sie es aus. Wenn man zwei oder drei Lichtquellen hat, verleiht dies dem Bild einen dynamischeren Eindruck.
„Bei der Dokumentation ist es wichtig, nichts hinzuzufügen, was nicht bereits mit dem Motiv in Verbindung steht, aber den Schatten auszurichten oder beispielsweise eine Pflanze so zu beleuchten, dass sie einen Schatten auf das Motiv wirft, um dem Bild mehr Atmosphäre zu verleihen, das ist in Ordnung.“
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Valtteri Hirvonen: Mit Lichtquellen kreativ werden
Wildnis- und Naturfotograf Valtteri Hirvonen kennt sich mit Aufnahmen in extrem widrigen Verhältnissen aus, oft in den Bergen oder in der Arktis, fernab von der Zivilisation bei Temperaturen von bis zu -30 °C. Ebenso wie Deschamps rät er dazu, mit allen vorhandenen Lichtquellen zu experimentieren und mehrere Lichtquellen zu verwenden, um verschiedene Effekte in Situationen mit schwacher Beleuchtung zu erzeugen. „Ich habe ausprobiert, einige Szenen mit meinem Handy zu beleuchten“, sagt er. „Egal, welches Licht, welcher Farbton oder welche Farbe in den Sinn kommen. Bei der Lichttemperatur kann man immer mit Filtern kreativ sein. Wenn man nur mit LEDs oder einer traditionellen Halogenlampe Aufnahmen macht, kannst man diese Dinge ausprobieren. Ich habe meistens drei oder vier verschiedene Lichter dabei, wenn ich losziehe, und kann dann das auswählen, das ich für einen bestimmten Look verwenden möchte.
„Meistens packe ich auch Speedlites ein, da diese für eine komplett andere Stimmung als die anderen Lichtquellen sorgen. Ich habe einen Funkauslöser für mein Canon Blitzgerät, sodass ich es beliebig ausrichten kann, und es entweder da lasse, wo es ist, oder es von dort auslöse, wo ich mich in der Szene befinde. Diese ganzen verschiedenen Techniken sind kombinierbar und man kann sie alle in nur einem Rahmen verwenden.“
Weitwinkelobjektive für Nachtaufnahmen verwenden
Bei der Arbeit in der Wildnis und bei Nacht überlässt Hirvonen nichts dem Zufall. Er rät zu sorgfältiger Planung und Ausführung jeder Aufnahme und dazu, sich bestimmte Ausrüstungsgegenstände zu Beginn zu überlegen. Vor allem empfiehlt er, Weitwinkelobjektive zu benutzen. „Meistens ist es besser, Aufnahmen bei Nacht mit einem Weitwinkelobjektiv zu beginnen, da dies leichter zu fokussieren ist, und der zusätzliche Platz bietet mehr Referenzpunkte im Dunkeln“, erklärt er. „Dadurch kann man die Kompositionen prüfen, bis sie perfekt sind. Man braucht auch kein schnelles Objektiv, f/4 oder f/2,8 reicht aus. Mein Canon EF 16-35mm f/2.8L USM [mittlerweile ersetzt durch das Nachfolgemodell Canon EF 16-35mm f/2.8L III USM] und mein EF 24-70mm f/2.8L II USM sind meine Lieblingsbrennweiten.
„Als ich angefangen habe, gab es keine elektronischen Sucher und ich dachte, sie würden in einer dunklen Umgebung nicht gut funktionieren. Aber ich habe meine Canon EOS R5 für Nachtaufnahmen verwendet und der EVF funktioniert beeindruckend gut. Sie erkennt Licht in Szenen, das ich nicht einmal mit dem blossen Auge sehen konnte. Natürlich kann man auch den rückseitigen Kameramonitor verwenden, er zeigt das gleiche Bild. Ich habe meine Stirnlampe, um eine Szene zu finden, aber für meine Komposition, um die Bildkante zu erkennen, ist der moderne EVF unschlagbar.“
Redline Challenge: Tipps und Tricks für Aufnahmen mit „Licht ins Dunkle“
Eliška Sky: Mit Lichtgemälden experimentieren
Die bildende Künstlerin Eliška Sky erzeugt überaus stilisierte, gewagte und häufig surreale Bilder, oft mit einer grundlegenden Botschaft. Beim Fotografieren bei schwachem Licht im Studio ist es für Sky besonders schwierig, zu bestimmen, wo die Schatten auf ihr Motiv fallen. „Mir gefällt es, schwaches Licht im Studio zu inszenieren“, sagt sie. „Meistens verwende ich einen Blitz, zusammen mit einem Hilfslicht, sodass die ganze Szene ziemlich dunkel ist und ich nur sehen kann, wo das Licht auftreffen wird.“
„Wenn ich den Blitz mit einer langsamen Verschlusszeit kombiniere, und Laser-Painting oder Lichtgemäldetechniken verwende, arbeite ich meistens in völliger Dunkelheit. In solchen intensiven Situationen möchte ich verhindern, dass das natürliche Umgebungslicht die langsame Verschlusszeit beeinträchtigt.“
In diesen Situationen ist die grösste Herausforderung für Sky, neben der Visualisierung der Schatten vorab, der präzise Fokus. „Ich muss natürlich zuerst fokussieren, daher ist es sinnvoll, einen Assistenten oder einen Freund mit einer Taschenlampe oder einem Handy mitzubringen“, sagt sie.
„Ich verwende fast immer den manuellen Modus, vor allem im Studio, und da ich Aufnahmen im Dunkeln mache, ist meistens eine Belichtung von zweieinhalb oder drei Sekunden genug für das Lichtgemälde, das ich aufnehmen möchte.“
Tasneem Alsultan: Die Dunkelheit zu deinem Vorteil nutzen
Tasneem Alsultan gefällt die Arbeit bei wenig Licht, bei ihrer Dokumentationsarbeit mit Schwerpunkt auf Geschlechter und soziale Probleme im Nahen Osten, oder für Hochzeitsfotografie, die sie nebenbei annimmt. „Das hält mich auf Trab, dadurch bleibe ich kreativ“, sagt sie. „Ich bin immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, Rahmen und Beleuchtung zu nutzen, während ich gleichzeitig darauf achte, dies so zu tun, dass die Braut nicht das Gefühl hat, dass sie am gleichen oder einem ähnlichen Ort fotografiert wird. Ich muss dabei kreativ sein, verschiedene Momente zu dokumentieren, um nicht die Aufmerksamkeit des Betrachters zu verlieren.“
Alsultan empfiehlt, die Sichtweise von Dunkelheit zu ändern, und es als technischen Vorteil zu nutzen, um vollständige kreative und technische Kontrolle über Rahmen zu haben. „Bei schwachem Licht muss man richtig extrem mit externen Blitzgeräten arbeiten, sodass es dramatischer als Tageslicht wirkt. Aber der Vorteil ist, dass man den Blick des Betrachters auf etwas lenken kann, indem man es beleuchtet. Gleichzeitig kannst man ihn von etwas ablenken, das er nicht sehen soll, indem man es im Dunkeln lässt, es mit Schatten versteckt. So nutzt man die Dunkelheit aus und kombiniert sie mit dem Blitz, um Theater, Drama und Schönheit zu schaffen.“
Keine Angst vor Aufnahmen in der Weite
„Bei Dokumentaraufnahmen über echte Lebensgeschichten verwende ich keinen Blitz“, sagt Alsultan. „Wenn ich für National Geographic oder The New York Times Aufnahmen mache, möchte ich überhaupt nicht mit den Fotos experimentieren – nichts darf gestellt werden, alles muss echt sein. Aber ich kann trotzdem die Dunkelheit genauso kreativ nutzen, wie ich es mit dem Blitz machen würde. Ich verwende eine schwache Beleuchtung in den Strassen, in meinem Viertel, sogar in Innenräumen. Mit meiner Canon EOS 5D Mark IV oder der EOS 5DS R gehe ich nie unter 1/80 Sek., und ich verwende eine grosse Blendenöffnung von etwa f/1,2 oder f/1,4 bei Aufnahmen von Menschen. So gelangt genug Licht in meine Kamera, um mein Motiv zu belichten, aber ich kann es so auch vor einem dunklen Hintergrund isolieren. Wenn ich Aufnahmen von mehr als einer Person mache, verwende ich eine Blendenöffnung von bis zu f/3,5, und verlasse mich dabei auf die Leistung meiner EOS 5D Mark IV bei schwachem Licht und deren Fähigkeit, solche Aufnahmen sehr natürlich erscheinen zu lassen.
„Ich rate zur Verwendung von Objektiven mit Festbrennweite, da diese meistens die grössten maximalen Blenden haben. Ich nutze das Canon EF 24mm f/1.4L II USM und das EF 35mm f/1.4L II USM, da ich mit deren extrem grossen Blendenöffnungen natürliches, wunderschönes schwaches Licht hier in Saudi-Arabien aufnehmen kann. Ich habe auch ein Canon EF 85mm f/1.2L II USM für Porträts – auch das EF 50mm f/1.2L USM Objektiv ist grossartig, aber das ist mein Geheimnis für schwaches Licht.“