Frag in einer ruhigen Minute doch einfach mal Freunde oder Kollegen, welche Podcasts sie am liebsten hören. Du erhältst sicher spannende Antworten. Am Anfang hatte nur ein Nischenpublikum Podcasts für sich entdeckt. Nichtsdestotrotz haben sie sich zu einem wahren Phänomen entwickelt. Aber wie genau haben sie die Herzen der Menschen erobert? Schliesslich herrscht nun keine Knappheit, was Unterhaltungsangebote angeht. Wie bei so vielen Trends scheint es auch hier, als hätten einfach Zeit und Ort gestimmt.
Eigentlich handelt es sich bei Podcasts auch nur um Broadcasting auf offenen Kanälen, und sind damit wirklich nichts Neues. Mit dem Kabelfernsehen gibt es das in den USA bereits seit einer kleinen Ewigkeit, verewigt in der Kult-Komödie Wayne’s World aus dem Jahr 1992 – fast genau die Zeit, als die ersten persönlichen Blogs anfingen, ein Publikum zu erreichen. Diese „Video-Beichten“ (damals als „Confessional Media“ bekannt) weckten in der Welt einen Appetit nach etwas Neuem, abseits vom Mainstream. Das Publikum will keine polierten Inhalte, sondern die unverfälschte Realität. Eben diese Authentizität ungefilterter Inhalte war es, welche die frühen Online-Erfahrungen in Chatrooms und Blogs zu etwas Besonderem machten.
Im Jahr 2001 wurde dann der Grundstein für alles gelegt, was wir heute in diesem Bereich kennen. Ein kleiner digitaler Audioplayer in Weiss, „auf demeintausendSongs Platz finden” (wie Steve Jobs stolz verkündete, als das Produkt bei einem besonderen Apple Event der Öffentlichkeit präsentiert wurde). Das klingt heute natürlich sehr lustig, aber es fällt auf, dass er das Wort Songs verwendet. Selbst Steve Jobs mit seiner berühmten Kristallkugel hat nicht vorhergesehen, dass sein Unternehmen Geburtshelfer eines völlig neuen Mediums sein würde.
Der Name geht auf den Journalisten Ben Hammersley zurück, der im Februar 2004 das Kofferwort aus „iPod“ und „Broadcasting“ schuf. Zum Ende des Jahres befand sich der iPod in seiner 4ten Generation, mit gut 10 Millionen Verkäufen. Ein glücklicher Zufall: Während mehr und mehr iPods verkauft wurden, gingen die Preise für Tonaufzeichnungsgeräte weiter und weiter nach unten. Das Oxford American Dictionary zeichnete „Podcast“ als „Wort des Jahres“ aus.
Nun konnte jeder, der gehört werden wollte, bei beliebten Shows zu Gast sein – oder kurzerhand einen eigenen Podcast aufmachen. Durch das „von überall aus zugängliche“ Format erhielt der Podcast einen neuen Status, als Soundtrack unseres belebten Daseins. Das Ganze fügt sich nur zu gut in die heutige Welt ein, in der Multitasking zur Natur der Sache gehört (es gibt zwar ein paar Ausnahmen, doch die meisten Podcasts haben genau die richtige Länge, um mit dem Hund raus zu gehen, zur Arbeit zu fahren oder eine Runde im Fitnessstudio zu trainieren). Podcasts konnten sich aber vor allem durch den sozialen Aspekt von anderen Medien abheben. Das Publikum fühlte dadurch eine Verbindung und Nähe, wie im Fernsehen und im Radio einfach nicht möglich war, so sehr man sich auch anstrengte.
Fans wurden gesehen und gehört, und die Hosts konnten ihnen mittels Hashtags antworten. Gleichzeitig ergaben sich daraus Communitys, in denen die Menschen auf dem (damals so betitelten) Twitter zu „Listening Parties“ zusammenkamen. In unserer Welt sind wir immer mehr miteinander verbunden, und gleichzeitig immer stärker isoliert. Podcasts fühlen sich da schön warm, familiär und was am wichtigsten ist, authentisch an – sie sind mehr, als rein passives zuhören. Podcasts werden heute rund um die Welt von geschätzt 500 Millionen Menschen gehört, und die Zahlen nehmen stets zu. Diese Communitys sind also riesig, und bringen Menschen aus aller Welt zusammen, die sich zu den verschiedensten Themen eine Liebe und Faszination teilen.
Und es ist praktisch für jeden etwas dabei. Comedy-Podcasts führen konsistent die Charts an, gefolgt von Nachrichten und aktuellen Ereignissen, und an dritter Stelle steht True Crime, mit einer treuen Anhängerschaft an Krimifans. Das heisst natürlich nicht, dass alle Podcasts in diesen Genres erfolgreich sind. Es wurde bereits viel darüber geschrieben, welche Zutaten eine tolle Show ausmachen, man kann sie aber auf einige Grundlagen eingrenzen: Kenne dich in deinem Thema gut aus und bleib bei der Sache (ein guter Podcast lässt sich in einem Satz zusammenfassen). Sei konsistent (liefere regelmässig neue Folgen) und lerne dein Publikum kennen. Ausserdem wird die Entscheidung immer wichtiger, ob deine Show im Audio- oder Videoformat sein soll, oder in beidem.
Es liegt in der Natur von Podcasts, die Grenzen zwischen Medien zu verwischen. Sie ermöglichen einen offenen Diskurs, der vielleicht nie im Mainstream ankommen würde, und zieht dabei ein ähnlich grosses Publikum an. Man kann sie praktisch überall aufnehmen, ob im Sessel zuhause oder am Flughafen – und dieser DIY-Flair macht zum Teil ihren Reiz aus. Und genau wie zuvor bei den Audioaufnahmen, wird hochwertige Ausrüstung zum Aufnehmen von Video-Podcasts immer erschwinglicher. „Vor etwas mehr als vier Jahren entschieden wir uns dazu, den Podcast ‚Diary of a CEO‘ im Videoformat herauszubringen, und das war bisher eine unserer wichtigsten Entscheidungen“, erläutert Unternehmer und Podcaster Steven Bartlett im Gespräch mit Canon UK. „Die Videokomponente bringt echtes Wachstum, da sich die Show in viele kleine Clips schneiden lässt, mit denen man im weiteren Internet nach neuem Publikum fischen kann.“
Steven zieht inzwischen 50 Millionen Zuschauer und Zuhörer im Monat an; Studio-Sets und eine kinoreife Produktion gehören inzwischen zu seiner Marke dazu – es gibt jedoch auch ähnlich beliebte Shows, die viel einfacher produziert werden. Am Ende ist die Authentizität ausschlaggebend. Man muss die Erwartungen des Publikums erfüllen und eine echte Verbindung zu Zuschauern und Zuhörern herstellen. Live-Podcasts werden immer mehr zur Norm, wobei Zuhörer und Zuschauer „einschalten“, wie das vor 20 Jahren im Fernsehen der Fall war. Der Unterschied ist die Interaktivität eines Chats, mit dem man Host und Gästen in Echtzeit Fragen stellen kann. Schliesst sich der Kreis damit also wieder?
Die Nachfrage ist gross, und zumindest aktuell deutet nichts darauf hin, dass Podcasts etwas von ihrem Einfluss einbüssen werden. Hosts werden als Prominente gefeiert, und neu aufkommende Podcasts fördern häufig neue Talente und Ideen zu Tage. Berichten zufolge verhandelt Netflix mit einigen der weltweit beliebtesten Podcastern und YouTube-Creatorn darüber, ihre Inhalte ins Programm aufzunehmen. Doch ganz gleich, wie die Zukunft aussieht und sich anhört – wenn du nach Empfehlungen für Podcasts fragst, erhältst du mit Sicherheit immer eine Antwort.
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