Mode-Fotoshootings setzen eine sorgfältige Planung voraus – von der Wahl des Models und der Kleidung über das Make-up und die allgemeine Ästhetik bis zu den Kameras, Objektiven und Zubehörelementen, mit denen aufgenommen wird. Auf welche wichtigen kreativen und praktischen Schritte kommt es bei Profis an, wenn sie ein Mode-Shooting vom Konzept bis zum endgültigen Bild realisieren? Hier begleitet die professionelle Modefotografin Evely Duis den jungen Profi Killian Jouffroy durch den Prozess.
Jouffroy aus Belgien steht kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum Kameramann in Brüssel. Neben seiner Leidenschaft für bewegte Bilder begeistert ihn auch die Fotografie seit Langem. „Ich bin zuallererst Fotograf und danach Kameramann“, berichtet er. „Aber die beiden Welten greifen ineinander. In Fotos fängt man den Moment ein. In Videos hält man mehr fest, muss aber trotzdem Fokus und Bildgestaltung steuern.“
Jouffroy ist vor drei Jahren in die professionelle Porträt- und Lifestyle-Fotografie eingestiegen und verzeichnet seitdem einen stetigen Auftragszuwachs. Während der Corona-Pandemie alleine zu arbeiten, brachte jedoch gewisse Probleme mit sich, insbesondere für einen jungen Fotografen, der seine Kompetenzen und Kenntnisse weiter ausbauen möchte. Als ihm die erfahrene Profifotografin Duis anbot, ihn bei seinem ersten Mode-Shooting zu begleiten, ergriff Jouffroy die Gelegenheit.
Duis stammt aus den Niederlanden, wo sie auch lebt und ihr eigenes Studio für Modefotografie betreibt. Sie hat mit einigen der weltweit grössten Modemarken zusammengearbeitet. Sie ist für ihre sorgfältige Planung, ihre Kreativität und ihr Faible für Retro-Elemente in ihren Bildern bekannt und freute sich, Jouffroy einen Blick in die Welt der Modefotografie zu geben.
MODE
Planung und Umsetzung eines Mode-Fotoshootings
Schritt 1: Planung und Vorbereitung vor dem Shooting
Duis und Jouffroy trafen sich für das Shooting frühmorgens in ihrem Fotostudio. Die Vorbereitung auf diesen Tag hatte allerdings Wochen vorher begonnen. „Ich plane Shootings lieber rechtzeitig, damit am Termin selbst die Richtung klar ist“, erläutert Duis. „Zunächst stelle ich Moodboards für das Styling zusammen, sehe mir Models an, frage nach ihrer Verfügbarkeit und recherchiere Modetrends.“
Die beiden Fotografen verbrachten mehrere Wochen damit, Moodboards zu verschiedenen Ideen für das Shooting zusammenzustellen und entschieden sich schliesslich für den „Tinker, Tailor“-Boy-meets-Girl-Look, der sie als Mann-Frau-Duo ansprach und bei beiden zum fotografischen Stil passte. Duis berichtet, dass sie gern ein Haupt-Moodboard mit jeder Menge Trends und Ideen für Beleuchtung und Komposition anlegt, zu dem eine Reihe kleinerer Moodboards für Kleidung, Styling-Optionen, Models mit bestimmten Looks usw. hinzukommen.
Diese langfristige Planung weicht grundlegend von Jouffroys üblichem Vorgehen ab, der sich stärker auf die technischen Aspekte für Fotografie und Beleuchtung konzentriert. „Ich machte in erster Linie Porträts und Lifestyle-Aufnahmen, sodass der Schwerpunkt bei mir auf dem richtigen Standort und Licht am jeweiligen Tag liegt. Zu Kleidung habe ich nur Basiswissen, deshalb wollte ich von Evely gern mehr darüber lernen“, berichtet er.
Schritt 2: Wahl der Kameras und Objektive
Nachdem Duis und Jouffroy Screenshots und Bildinspirationen ausgetauscht hatten, trafen sie sich für das Shooting. Duis fotografiert als Vollzeit-Profi mit der Canon EOS R5. Bei den Objektiven greift sie am häufigsten auf das Canon RF 24-70mm F2.8L IS USM zurück. Dieses Objektiv der L-Serie macht bei durchgängig hoher Lichtstärke mit 5-Stufen-Bildstabilisator bei allen Lichtverhältnissen gestochen scharfe Aufnahmen. Aufgrund der vorteilhaften Komprimierung und der Möglichkeit, eine geringe Schärfentiefe zu erzeugen, setzt sie auch das Canon RF 85mm F1.2L USM ein.
Jouffroy arbeitete beim Shooting mit der Canon EOS R6 und denselben Objektiven wie Duis. Einige Male wechselten sie für Nah- und Detailaufnahmen (wie oben rechts) wegen der 1:1-Vergrösserung zum Canon RF 100mm F2.8L MACRO IS USM.
In Bezug auf die Objektive erläutert Duis, dass sie zwar viel mit den lichtstarken Objektiven Canon RF 24-70mm F2.8L IS USM (und seiner EF-Entsprechung) und Canon RF 85mm F1.2L USM arbeitet, aber trotzdem selten die maximale Blende verwendet. „95 % der Zeit fotografiere ich bei etwa 1:5,6“, berichtet sie. „Bei Modeaufnahmen geht es um das Make-up, das Haar, das Styling und vor allem um die Modeartikel. Es bringt nichts, bei grosser Blende aufzunehmen, wenn dann nur das Auge fokussiert ist. Auch Kleidung und Make-up müssen scharf sein. Den Kunden kommt es darauf an.“
Damit eignet sich die Modefotografie insbesondere für Studenten und Einsteiger, denn ein vergleichbarer Look lässt sich auch mit kostengünstigen Objektiven wie dem Canon RF 85mm F2 MACRO IS STM oder dem Canon RF 24-240mm F4-6.3 IS USM erreichen.
Du studierst Fotografie oder Film?
Schritt 3: Testaufnahmen, Styling und Wahl von Kompositionen
Duis und Jouffroy starteten mit Testaufnahmen zur Beleuchtung und fotografierten sich dafür gegenseitig. Duis testet nur selten mit dem Model, denn alles vorab einzurichten, spart Zeit und Geld.
Ein Markenzeichen von Duis' Styling ist die Kombination aus Retro-Elementen und aktueller Mode. Sie kombinierte zum Beispiel eine moderne Jacke mit einem Vintage-Tuch (wie oben), um Jouffroy zu zeigen, dass originelle Aufnahmen nicht ausschliesslich die neueste Mode abbilden müssen. Duis beginnt gern mit einfachen Looks und entwickelt dann im Laufe des Tages komplexere Setups. „Sie sagt, dass es so für alle einfacher wird“, berichtet Jouffroy. „Der Make-up-Artist kann Schichten aufbauen, statt immer wieder ganz von vorn zu beginnen. Auch das Haar lässt sich so schneller stylen.“
Zur Bildkomposition erläutert Duis, dass sich Aufnahmen für den Redaktions- und Printbereich stark von Aufnahmen für den Online- und Social-Media-Gebrauch unterscheiden. Aufnahmen, die das Model mit einem kleineren Ausschnitt festhalten, beispielweise bei Schulterporträts wie oben links, eignen sich für die sozialen Medien besser, denn auf einem kleinen Smartphone-Display wirken solche Bilder grösser und eindrucksvoller als weiter gefasste Bildausschnitte.
„Für die sozialen Medien verwende ich einen Zuschnitt von 4 x 5. Bei Zeitschriften muss ich dagegen Negativraum um das Model für Text auf den Bildern freilassen“, erläutert sie.
Schritt 4: Anleitung des Models
Jouffroy berichtet, dass seine Fotosessions besonders erfolgreich sind, wenn die Fotografierten die Führung übernehmen und er sich auf vorsichtige Vorschläge zu Körper- und Gesichtsbewegungen für den endgültigen Look beschränkt, statt konkrete Posen festzulegen. Duis geht interessanterweise ähnlich vor.
„Professionelle Models wissen meist sehr genau, wie sie meine Vorschläge in ihren Stil übertragen können“, berichtet sie. „Meine Anweisungen gehen vom Styling der Kleidung aus. Ein langes, fliessendes Kleid muss in Bewegung sein, daher sollte das Model stehen. Ich spreche mit den Models darüber, wie sie das von sich aus interpretieren würden.“
Duis und Jouffroy waren sich einig, dass dem Model auferzwungene Posen zu unbeholfenen, hölzernen Aufnahmen führen. Ein überzeugendes Konzept in der Eigeninterpretation des Models dagegen ergibt natürliche, fliessende Posen, die zur Kleidung passen.
Wenn du im Studio mit dem Team unterwegs bist, kann die Canon EOS R5 ebenso wie die EOS R6 über WLAN oder USB mit einem PC oder Mac verbunden werden. Die Aufnahmen lassen sich dann sofort sichten, überprüfen und entsprechend anpassen. Beide Fotografen machten ihre Aufnahmen mit Verbindung zu einem Laptop und empfanden das aus mehreren Gründen als vorteilhaft. Erstens müssen die Bilder nicht nachträglich von der Speicherkarte heruntergeladen werden, was die Bearbeitung beschleunigt. Zweitens sind Fehler, Makel und alles, was geändert oder korrigiert werden muss, auf einem grösseren Bildschirm besser zu erkennen. „Bei Aufnahmen mit Bildschirm kann das ganze Team zuschauen“, erläutert Duis. „Das Model kann seine Pose prüfen und eigenständig korrigieren. Der Make-up-Artist kann ausgehend von der Aufnahme spontane Änderungen vornehmen. Und auch ein Art Director oder Vertreter des Kunden kann das Shooting kreativ mit anleiten.“
Young Photographer: Erste Schritte in der Modefotografie
Mehr dazu, wie du mit Bildern Geschichten erzählst, erfährst du in dieser Episode des Canon Podcasts „Shutter Stories“:
Schritt 5: Bearbeitung der Endauswahl
Nach dem Shooting legten beide Fotografen die Kamera eine Zeit lang beiseite, bevor sie sich an einem anderen Tag wieder trafen, um die Bilder für die Bearbeitung zu sichten und auszuwählen.
„Ich brauche eine halbe Stunde, um ein Bild zu bearbeiten. Wenn ich 10, 20 oder mehr Bilder bearbeiten muss, bekomme ich das nach einem langen Shooting nicht mehr unter. Daher mache ich eine Pause und verschiebe die Bearbeitung auf einen anderen Tag. Ausserdem tauche ich zu sehr in das Shooting ein, um die Bilder direkt im Anschluss bearbeiten zu können. Deshalb warte ich damit lieber eine oder zwei Wochen“, berichtet Duis. „Ich mache das ständig, sodass ich eine halbe Stunde für ein Bild brauche, für das jemand mit weniger Erfahrung unter Umständen länger braucht.“
Jouffroy und Duis sichteten die Aufnahmen zunächst. Sie wählten in mehreren Durchgängen ihre Lieblingsaufnahmen aus, indem sie gute Aufnahmen gruppierten und bearbeiteten und schliesslich auf die besten Bilder eingrenzten. Mit jedem Durchgang wurden sie kritischer und achteten auf zunehmend kleinere Details, bis eine Endauswahl vorlag, die sie ohne Zögern einem Kunden präsentieren würden.
Jouffroys seitliches Porträt des Models in gemusterter Bluse (oben rechts) war eine von Duis' Lieblingsaufnahmen. Durch den kleineren Bildausschnitt, den er mit einer längeren Brennweite erzielte, isolierte Jouffroy das Model vom Set, um ein intimes Porträt aufnehmen. „Der Kontrast zwischen dem starken Ausdruck und der hübschen Kleidung funktioniert sehr gut. Die Aufnahme ist dadurch sehr ausgewogen“, erläutert Duis. „Pose und Ausdruck werden ihre Wirkung auch in 10 Jahren nicht verfehlen. Das gefällt mir an dieser Aufnahme besonders: ihre Zeitlosigkeit.“
Jouffroy ergänzt: „Evely hatte bei dieser Aufnahme eine hervorragende Idee für die Beleuchtung: ein Stück Pappe als Lichtmodifikator. Es dauerte etwas, bis wir es hinbekommen haben, aber als alle Blitze richtig eingerichtet waren, war das Licht einfach grossartig. Jeder Bildbereich ist anders ausgeleuchtet. Das macht für mich in diesem Bild den Kontrast aus, und der Kontrast ist für mich ganz besonders wichtig.“
Bildnachweis: Jet Rooswinkel, Haar und Make-up/Zohra Sabbahi, Model
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