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Acht Dinge, die du von Chris Steele-Perkins über die Aufnahme langfristiger Projekte lernen kannst

A family originally from South Africa in their London kitchen. Photo by Chris Steele-Perkins.
Eine ursprünglich aus Südafrika stammende Familie, fotografiert von Chris Steele-Perkins für „The New Londoners“ – sein Projekt, bei dem er das Leben von Familien aus der ganzen Welt erkundet, die jetzt in London wohnen. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III (mittlerweile ersetzt durch das Nachfolgemodell Canon EOS 5D Mark IV) mit einem Canon EF 24-70mm f/.2.8L II USM Objektiv mit 30 mm, Verschlusszeit 1/6 Sek., Blende 1:10 und ISO 1000. © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos

Die Aufnahme eines langfristigen persönlichen Projekts gehört zu den erfüllendsten Dingen, die ein Fotograf tun kann. Das Erkunden eines Themas, für das du dich begeisterst, die Aufnahme und Auswahl deiner Bilder sowie die Veröffentlichung deiner fertigen Arbeiten sind sowohl motivierend als auch befriedigend. In der Geschichte der Fotografie wimmelt es nur so von grossartigen Beispielen für diese Art von Projekten, von Joel Meyerowitz‘ „Cape Light“ bis hin zu Robert Franks „The Americans“.

Ein Fotograf, der für seine langfristigen Projekte bekannt ist, ist Chris Steele-Perkins, ein erfahrenes Mitglied der Agentur Magnum Photos. Im Laufe seiner Karriere als Fotojournalist, die 1971 begann, hat er über zahlreiche Kriege und Naturkatastrophen berichtet. Einen erheblichen Teil seines Berufslebens konzentrierte er jedoch auf langfristige Projekte, beginnend mit seiner bahnbrechenden Studie zur „Teddy Boy“-Subkultur in Grossbritannien, die 1979 unter dem Namen „The Teds“ veröffentlicht wurde.

Inzwischen hat er 12 Bücher zu einzelnen Projekten veröffentlicht, darunter „Fading Light: Portraits of Centenarians“ (2013), „A Place in the Country“ (2015), in dem er das Leben auf dem 23.000 Hektar grossen Holkham Estate an der Nordküste Norfolks in England dokumentiert, und „The New Londoners“ (2019), eine Serie mit mehr als 160 Porträts von Familien aus Ländern auf der ganzen Welt, die London als ihr Zuhause gewählt haben.

Hier blickt Steele-Perkins zurück auf seine Erfahrungen mit persönlichen Projekten in den letzten 40 Jahren und gibt acht Tipps dazu, wie man diese Projekte angehen kann – von der ersten bis zur letzten Projektphase.

A centenarian is greeted enthusiastically in his local pub. Photo by Chris Steele-Perkins.
Aus „Fading Light: Portraits of Centenarians“. Dieser Hundertjährige (ganz rechts), hier in einem ungestellten Moment direkt aus seinem Alltag zu sehen, lebt alleine und geht immer noch zu Fuss zu seinem örtlichen Pub. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark II mit einem Canon EF 24-105mm f/4L IS USM Objektiv mit 32 mm, Verschlusszeit 1/15 Sek., Blende 1:4 und ISO 400. © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos
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1. Sei offen für Ideen

„Projekte können auf unterschiedliche Weise beginnen, und dafür musst du offen sein“, sagt Steele-Perkins. „Einige Ideen kommen dir ganz überraschend, andere entwickeln sich aus früheren Arbeiten. ‚Fading Light‘ wurde beispielsweise von einem Zeitungsartikel inspiriert. Darin wurde erwähnt, dass laut Statistik in Grossbritannien mehr als 10.000 Menschen im Alter von über 100 Jahren leben – Tendenz steigend. Also begann ich damit, Hundertjährige zu fotografieren.“

„‚A Place in the Country‘ wurde von einem meiner Projekte über die grossen Anwesen im Nordosten Englands inspiriert. Ich wollte mir ein bestimmtes Anwesen genauer ansehen. ‚The New Londoners‘ entstand aus einem viel kleineren Projekt über Einwandererfamilien aus Konfliktgebieten, das ich für das Victoria & Albert Museum durchgeführt habe.“

„Aber jede Idee, die man schliesslich umsetzt, geht mit einer ganzen Reihe an Ideen einher, die einige Tage oder Wochen lang toll erscheinen, dann aber letztendlich unter ‚Nee, vielleicht doch nicht‘ verbucht wurden. Man muss neue Ideen auf sich zukommen lassen oder zumindest offen dafür sein.“

Three well-dressed men stride out across an immaculate lawn with neatly-trimmed topiary at each corner. Photo by Chris Steele-Perkins.
Aus Steele-Perkins‘ Projekt „A Place In The Country“ aus dem Jahr 2015. Die endgültige Auswahl aus den Tausenden von Fotos, die man im Laufe eines Projekts aufnimmt, basiert in der Regel immer auf den gleichen Kriterien. Am Ende nimmt man die aufschlussreichsten, aufsehenerregendsten und unterhaltsamsten Bilder, wie diese witzige Komposition, die Besucher während einer Pause bei einer Opernaufführung auf dem Rasen zeigt. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark II mit einem Canon EF 24-105mm f/4L IS USM Objektiv mit 35 mm, Verschlusszeit 1/320 Sek., Blende 1:10 und ISO 320. © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos

2. Bleib aufgeschlossen

„Ideen für Projekte müssen sich entwickeln. Deine anfängliche Idee sollte sich bis zum Abschluss des Projekts in etwas ganz Anderes verändert haben, da du sie immer ergänzen und neu betrachten musst. So endet man oft an einem völlig anderen Punkt, als man ursprünglich erwartet hatte.“

„Es ist daher wichtig, eine Idee nicht zu starr zu verfolgen und zu versuchen, sie in eine bestimmte Richtung zu drängen. Besonders Schüler haben oft eine Idee und eine Vorstellung davon, wie sie sie umsetzen wollen. Das ist zwar gut, aber meist wollen sie dann nicht davon abrücken. Oft kann aber gerade das Loslassen der ursprünglichen Idee dich in einem Projekt voranbringen. Wer sich nur an seine eigenen Vorgaben hält, dreht sich immer im Kreis. Man muss Projekten gestatten, sich weiterzuentwickeln und zu verändern.“



3. Halte die richtige Ausrüstung bereit

„Du musst sicherstellen, dass du über die richtige Ausrüstung für die Umgebung verfügst, in der du fotografierst. Bei meinem Projekt ‚The New Londoners‘ habe ich beispielsweise in den Wohnungen der Familien fotografiert. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich Weitwinkelobjektive in dunklen Räumen verwenden würde. Natürlich habe ich auch ein paar Lampen mitgenommen.“

„In Bezug auf die Brennweite habe ich wahrscheinlich nie mit mehr als 50 mm fotografiert. Daher habe ich für dieses Projekt das Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv verwendet, das mir mehr als genug Spielraum in Bezug auf den benötigten Platz und das erforderliche Volumen gab. Der Grossteil meiner Arbeiten entsteht mit dem Canon EF 24-105mm f/4L IS II USM Objektiv. Es ist über den gesamten Zoombereich hinweg scharf, robust und verfügt über eine gute Bildstabilisierung. Es deckt so ziemlich alles ab, was ich brauche.“

Three women in Queen Elizabeth II masks pose in front of a stately home. Photo by Chris Steele-Perkins.
In dem beeindruckenden Anwesen aus Steele-Perkins‘ Projekt „A Place in the Country“ wurde eine Party für Mitarbeiter und Freiwillige veranstaltet, um das diamantene Jubiläum der Königin zu feiern. Bei diesem Projekt ging es darum, hinter die Klischees der Kostümdramen zu blicken und die Realitäten des Lebens auf einem Landsitz im Laufe eines ganzen Jahres darzustellen. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark II mit einem Canon EF 24-105mm f/4L IS USM Objektiv mit 28 mm, Verschlusszeit 1/400 Sek., Blende 1:8 und ISO 400. © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos

4. Sei selbst dein stärkster Kritiker

„Wenn mir andere ihre Projekte zeigen, stosse ich manchmal auf ein Bild, das etwas schwächer ist als der Rest. Sie nennen es oft ein ‚Füllbild‘ oder ein ‚Pausenbild‘. Meist antworte ich dann: ‚Es ist ein langweiliges Bild, und kein Name kann daran etwas ändern.‘“

„Widerstehe also der Versuchung, ein Bild zu verwenden, das du zwar für ziemlich langweilig, aber vielleicht brauchbar hältst. Wenn du selbst dich nicht für das Bild interessierst, warum in aller Welt sollten es dann andere tun?“

An extended family is reflected in various mirrors on the wall of their London home. Photo by Chris Steele-Perkins.
In seinem Projekt „The New Londoners“ setzte Steele-Perkins Spiegel an der Wand kreativ ein, um dieses Portrait einer Londoner Familie, die ursprünglich aus St. Vincent und den Grenadinen stammt, einzufangen. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv mit 38 mm, Verschlusszeit 1/20 Sek., Blende 1:9 und ISO 12500. © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos

5. Nutze einen Rahmen

„Ich verwende oft einen Rahmen in einem langfristigen Projekt. Bei ‚A Place in the Country‘ habe ich die vier Jahreszeiten als Orientierungshilfe für meine Überlegungen genutzt, um zu ermitteln, was darin enthalten sein soll. Nachdem ich diese Struktur gewählt hatte, wollte ich darauf aufbauen. Später betrachtete ich das Projekt dann erneut und schloss die Lücken. In einem anderen Projekt, ‚Tokyo Love Hello‘, habe ich Fotos aus vielleicht 10 Jahren Arbeit verwendet, sie aber wie einen einzigen langen Tag behandelt und von der Nacht bis zum Tag und wieder zur Nacht angeordnet.“

„So ein Rahmen ist sehr nützlich, dient aber vor allem für dich selbst. Du musst ihn dem Betrachter nicht unbedingt zeigen. Du kannst ihn als Skelett verwenden, um deine Bilder zusammenzustellen. Achte dabei darauf, dass die Mechanik dahinter für dich oder den Betrachter nicht zu offensichtlich ist. Wenn die Leute positiv darauf reagieren, funktioniert er.“

A newborn infant tightly swaddled in subtly patterned cloth. Photograph by Lieve Blancquaert.

Circle of Life: Die Meilensteine des Lebens durch ein Objektiv

Lieve Blancquaert zeigt, wie sie weltweit mit nur einem Objektiv, dem Canon EF 24mm f/1.4L II USM, Geburt, Hochzeit und Tod dokumentierte.

6. Hol mehr aus einem Projekt heraus

„Wenn du glaubst, dass ein Projekt abgeschlossen ist, heisst das nicht, dass es wirklich fertig ist. Es gibt immer eine Möglichkeit, noch etwas mehr herauszuholen. Als ich an ‚A Place in the Country‘ arbeitete, hatte ich mir ein Jahr als Zeitrahmen gesetzt. Am Ende dieser Zeit hatte ich aber nur wenige Winterbilder aufgenommen, die mir wirklich gefielen. Also sprach ich mit dem Eigentümer des Hauses und sagte, dass ich noch ein paar Male zurückkehren und mehr fotografieren müsse, und er war damit einverstanden. Selbst, wenn man eine Frist hat, kann man in der Regel noch etwas mehr aus einem Projekt herausholen.“

„Schliesslich kommt man an einen Punkt, an dem man das Gefühl hat, die wesentlichen Arbeiten erledigt zu haben. Neue Aufnahmen tragen dann nicht mehr viel dazu bei. Wenn du vorhast, das Projekt in Buchform zu veröffentlichen, ist das der Punkt, an dem man mit dem Anfertigen von Mustern beginnt und einen Verlag anspricht.“

7. Behalte die Kontrolle über die Präsentation des Projekts

„Wenn du dich an einen Verlag wendest, musst du unbedingt eine klare Vorstellung davon haben, wie das fertige Buch aussehen soll. Ich erstelle dazu immer ein Layout im PDF-Format. Ich weiss, welches Bild ich auf dem Deckblatt verwenden möchte und wie viele Bilder im fertigen Buch enthalten sein sollen. Andernfalls drängen Verlage dir ihre eigenen Ideen für das Titelbild und den Inhalt des Buchs auf. Entweder übernehmen sie es so, wie du es willst, oder du musst Wege suchen, um es in die gewünschte Richtung zu lenken. Andernfalls verlierst du die Kontrolle über das Projekt und musst am Ende feststellen, dass du etwas ganz anderes machst, als du ursprünglich wolltest.“

„Du brauchst einen Verlag, der das Projekt mag und dahintersteht, anstatt zu sagen, dass ihm die Bilder gefallen und er einen bestimmten Typ Buch daraus machen möchte. Ausserdem ist es sehr hilfreich, mit einem guten Designer zu arbeiten – solange ihr zusammenarbeitet. Von Verlagen beauftrage Designer haben oft sehr klare Vorstellungen davon, was ihnen gefällt. Das ist aber nicht zwingend auch das, was dir gefällt.“

Two dogs share the cramped interior of a Land Rover with their flat-capped master. Photo by Chris Steele-Perkins.
Aus „A Place In The Country“. Steele-Perkins verwendete die grösste verfügbare Brennweite seines Objektivs, um so viele Details wie möglich in einem geschlossenen Raum festzuhalten. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark II mit einem Canon EF 24-105mm f/4L IS USM Objektiv mit 24 mm, Verschlusszeit 1/400 Sek., Blende 1:6,3 und ISO 400. © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos

8. Erkunde die Welt in deinem Projekt

„Für mich hat ein Projekt immer zwei Seiten: die eine ist die Fotografie, die andere der Prozess der Erkundung selbst. Die Fotografie ist der Schlüssel zu einer Tür, durch die du an alle möglichen Orte gelangst, ob nun auf Landgüter, ins Leben der Teddy Boys oder in den Alltag von Altersheimbewohnern.“

„Es lohnt sich, mehr über die Welt zu erfahren, in der du lebst, und die Fotografie bietet dir eine fantastische Möglichkeit, genau das zu tun. Du musst immer mehr herausfinden und tiefer gehen. Wenn ich an einem Projekt arbeite, entdecke ich währenddessen Dinge über die Welt, in der wir leben. Ich hoffe, dass ich die Person, die meine Ausstellung besucht oder mein Buch kauft, auf dieselbe Reise mitnehmen kann.“

Verfasst von David Clark


Chris Steele-Perkins' Ausrüstung

Die Ausrüstung, die Profis für ihre Fotos verwenden

A picture of Chris Steele-Perkins.

Kamera

Canon EOS 5D Mark IV

Als Nachfolger der EOS 5D Mark III, die Steele-Perkins am häufigsten verwendet hat, ist die technisch ausgeklügelte EOS 5D Mark IV auf Leistung in jeder Situation ausgelegt. „Ich verwende sie, weil sie unermüdlich weiterläuft und genau das tut, was ich will“, sagt Steele-Perkins. „Man kann den ISO-Wert auf einen wirklich nützlichen Bereich festlegen, ohne Einbussen bei der Qualität.“

Objektive

Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM

Ein professionelles Standard-Zoomobjektiv, das neben erstklassiger Abbildungsqualität auch eine hohe Lichtstärke von 1:2,8 über den gesamten Zoombereich bietet. „Es gab mir mehr als genug Spielraum in Bezug auf den benötigten Platz und das erforderliche Volumen“, sagt Steele-Perkins.

Canon EF 24-105mm f/4L IS II USM

Das ideale Objektiv für aussergewöhnliche Bildqualität bei leichter Ausrüstung. „Es ist über den gesamten Zoombereich hinweg scharf, robust und verfügt über eine gute Bildstabilisierung. Es deckt so ziemlich alles ab, was ich brauche“, sagt Steele-Perkins.

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