Das Unsichtbare sehen: Fotografieren der queeren Community

Der nicht-binäre Louis Painter macht aussagekräftige Porträts, die sowohl diverse Communitys würden als auch die Emotionen der Porträtierten zum Ausdruck bringen
Ein von Louis Painter aufgenommenes Porträt einer Dragqueen mit langen blonden Haaren, die ein geblümtes Kleid und einen braunen Pelzmantel trägt und vor einem verzierten Gebäude steht.

Einsamkeit und das Bedürfnis, dazuzugehören, sind Gefühle, die die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben erleben und die manchmal schwer zu bewältigen sind. Heute sind Repräsentation und Sichtbarkeit wichtiger denn je. Sich selbst in der Arbeit eines anderen zu sehen, kann Freude und Erleichterung hervorrufen: Es gibt einem die Anerkennung für das, was man ist.

Die Fotografie kann eine wichtige Rolle bei der Hervorhebung von Vielfalt spielen. Louis Painter, nicht-binär, queer und autistisch, will mit den Pronomen they/them bezeichnet werden und fotografiert Porträts, die ein Gefühl von Menschlichkeit und Verletzlichkeit vermitteln und gleichzeitig eine kino-typische Qualität haben. Louis schafft es, in einem einzigen Bild eine markante Identität mit tiefen Emotionen zu verbinden.

„Es gibt eine Art von Einsamkeit, die queere Menschen oft erleben“, erklärt Louis aus Birmingham, Grossbritannien. „Die queere Fotografie bedeutet mir alles. Da ich mich selbst als queer identifiziere, möchte ich das in meiner Arbeit auch zum Ausdruck bringen. Bei diesem Projekt geht es darum, dass ich in der Nähe von Menschen, die sich als queer identifizieren, und meinen Freunden mehr ich selbst bin – etwas, das andere queere Menschen wahrscheinlich nachempfinden können.“

Was ist also der Antrieb, und wohin hat die Reise mit der queeren Fotografie Louis geführt?

Die Kombination von Kunst und Fotografie

Eine Person schaut stehend durch ein Fenster, wobei ihr helles Haar das Grün des Fensterrahmens ergänzt.

„Ich mag die Doppelbelichtung durch die Fenster. Die verschiedenen Grüntöne, die die Rottöne ergänzen, haben das Bild für mich lebendig gemacht“, sagt Louis. Die Farbenlehre setzt Louis bei der Arbeit nahezu unterbewusst ein. „Neben der Bildkomposition ist für mich die Farbe enorm wichtig.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS RP und einem Canon Adapter EF-EOS R mit einem Canon EF 50mm f/1.2 L USM Objektiv bei 1/200 Sek., F2.5 und ISO 320. © Louis Painter

Eine Person in einem langen Kleid steht am Rande einer felsigen Hügelkuppe und blickt auf die Felder und das Wasser in der Ferne.

Louis wollte, dass diese Aufnahme, die im Peak District gemacht wurde, wie ein Einzelbild aus einem Video aussieht. „Ich habe einige Objektiv-Korrekturen gemacht und die Belichtung sowie die Highlights in Adobe Photoshop Lightroom1 angepasst.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS RP und einem Canon Adapter EF-EOS R mit einem Canon EF 24mm f/2.8 IS USM Objektiv bei 1/200 Sek., F2.8 und ISO 320. © Louis Painter

Louis war früher Maler, entschied sich dann aber – von Freunden inspiriert – für ein Studium der Fotografie. Heute postet Louis regelmässig einzigartige kino-typische Fotos auf TikTok und anderen Social-Media-Plattformen und erreicht damit Tausende von Aufrufen.

„Ich mag die technische Seite an der Fotografie sehr, z.B. Belichtungszeiten und verschiedene Brennweiten“, sagt Louis. „Und so langsam lernte ich auch eine Menge über Geschichte. Ich war wie besessen davon und schaute mir den ganzen Tag YouTube-Videos an.“

In dem Bewusstsein, dass der Fotostil eine Nische darstellte, entwickelte Louis das Queer-Fotoprojekt in der Mitte des ersten Semesters im dritten Studienjahr. „Die wenigen, die in dieser Kategorie arbeiten, haben keine Emotionen in ihre Bilder einbezogen, also dachte ich daran, den emotionalen Teil von mir mit einer kino-typischen Ästhetik zu versehen. Das habe ich dann auf TikTok gepostet und damit viel Zuspruch von der queeren Community erhalten“, erzählt Louis.

Louis sagt, dass in den Kommentaren häufig Worte wie „filmisch, seltsam, erzählerisch und fantasievoll“ vorkommen, um diese Arbeit zu beschreiben, und dass sie von zahlreichen Fotografen inspiriert wurden, deren Bilder einen ebensolchen dramatischen Charakter haben. Sarah Bahbah und Gregory Crewdson hatten einen grossen Einfluss auf die Bilder von Louis – sie erzählen Geschichten, wo Worte versagen.

Models finden und anleiten

Eine Person steht als Ritter in Metallrüstung gekleidet da und blickt in Richtung Kamera, während der Hintergrund unscharf ist.

Louis fand dieses Model durch einen Aufruf auf TikTok. „Das Model hatte Spass am Cosplay, und ich wollte schon immer ein Fotoshooting mit Rittern machen“, erklärt Louis. „Ich wollte zeigen, wie queere Menschen in cishetische (cisgender und heterosexuelle) Rollen gezwungen werden und wie wir uns dadurch isoliert fühlen können.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS 6D Mark II und einem Canon EF 100mm f/2.8 L Macro IS USM Objektiv bei 1/200 Sek., F2.8 und ISO 500. © Louis Painter

Eine als Prinzessin verkleidete Person lehnt an einer Wand und blickt wehmütig auf einen Renaissance-Markt.

Louis hat dieses Foto auf einem Renaissance-Markt aufgenommen und wollte, ähnlich wie bei dem Ritter-Foto, ein märchenhaftes Szenario abbilden. Louis' Bilder bleiben offen für Interpretationen – der Betrachter soll sich in diese Szenarien hineinversetzen. Aufgenommen mit einer Canon EOS 6D Mark II und einem Canon EF 100mm f/2.8 L Macro IS USM Objektiv bei 1/320 Sek., F2.8 und ISO 1.600. © Louis Painter

Zu Beginn des Projekts bat Louis Freunde, zu posieren, aber nach dem Veröffentlichen von Aufrufen im Internet, erhielt Louis viele Antworten von queeren Menschen. „Ich habe es zu meinem Markenzeichen gemacht, nicht mit professionellen Models zu arbeiten“, sagt Louis. „Ich mag die Idee, mit echten Menschen zu arbeiten, die authentische Emotionen zeigen.“

Was die Anweisungen für die Models angeht, so zieht Louis es vor, dass sich die Geschichte beim Shooting ganz von selbst entwickelt. „Ich bin ziemlich impulsiv, wenn es um die Fotografie geht. Ich formuliere zwar ein kleines Storyboard, aber wenn ich einen schönen Aufnahmeort sehe, der nicht Teil des Plans war, sage ich: ‚Da will ich hin‘. Ich glaube, beim Fotografieren geht es darum, sich ganz dem Fluss der Dinge hinzugeben und für alles offen zu sein.“

Louis gibt den Models eine kurze Anweisung und lässt sie diese dann ganz individuell interpretieren. „Ich bitte das Model, an die Kindheit oder einen entscheidenden Moment im Leben zu denken“, erklärt Louis. „Sobald das geschieht, kann ich mich auf die Bildkomposition und die Farben konzentrieren. Ich würde sagen, dass es zu etwa 40% mein Einfluss ist und zu 60% von der Person abhängt, die ich fotografiere. Ich möchte, dass sich meine Models wohlfühlen, denn nur dann können sie wirklich sie selbst sein und ihre inneren Gefühle offenbaren.“

Die Ausrüstung zusammenstellen

Der Trans-Musiker Jay Page schaut in einem Foto von Louis Painter in einen Spiegel, die Hände hinter dem Kopf.

Dieses Bild des Musikers Jay Page war eines der ersten Porträts, die Louis für das Projekt aufgenommen hat. „Jay hatte sich seit ein paar Monaten als transsexuell geoutet, und die Idee war, Geschlechtsdysphorie zu zeigen“, erklärt Louis. „Ich habe Jay gebeten, in den Spiegel zu schauen und über die eigene Identität nachzudenken, und das hat einige unverarbeitete Emotionen zum Vorschein gebracht.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS 6D Mark II und einem Canon EF 50mm f/1.2 L USM Objektiv bei 1/200 Sek., F2.8 und ISO 800. © Louis Painter

Louis fotografiert oft unter wechselnden Bedingungen, von schwach beleuchteten Gassen und Pavillons bis hin zu offenen Feldern. Um das Beste aus den Aufnahmen herauszuholen, muss Louis also schnell unterwegs sein. Louis begann mit einer von der Universität geliehenen Canon EOS 6D Mark II und einigen Canon L-Serie Objektiven. Später fiel die Entscheidung jedoch auf eine Canon EOS RP mit einem Canon Adapter EF-EOS R, der den Einsatz der EF Objektive ermöglichte.

Mit der kompakten EOS RP kann Louis auch unterwegs fotografieren, während der erweiterte Autofokusbereich das Motiv sofort fokussiert und für scharfe Porträts sorgt. „Es gab Momente, in denen ich Glück mit der Aufnahme hatte, weil sie auf Anhieb scharf war“, sagt Louis.

Für Louis ist auch ein Touchscreen essentiell. „Ich schaue nicht gerne durch den Sucher. Ich schaue lieber direkt das Model an, um eine Verbindung aufzubauen“, erklärt Louis. „Ich möchte, dass meine Models mich anschauen, nicht die Kamera, und die EOS RP ermöglicht mir das. Ich kann einfach auf das Display tippen und muss mir keine Sorgen machen, dass die Emotionen in der Aufnahme verloren gehen.“

Bei windigen Aussenaufnahmen hat Louis gelernt, wie wichtig der Bildstabilisator ist und verwendet daher gern das Canon EF 24mm f/2.8 IS USM Objektiv, um Verwacklungsunschärfen zu vermeiden. Durch das Fotografieren mit einem Weitwinkelobjektiv kann Louis auch mehr vom Hintergrund in ein Bild einbeziehen und zeigen, wie wohl sich das Model in seiner Umgebung fühlt. „Ich mag es, das Gefühl der Einsamkeit einzufangen, das die Umgebung erzeugt“, fügt Louis hinzu.

Louis verwendet ausserdem das Canon EF 50mm f/1.2 L USM Objektiv. Dieses Objektiv überzeugt nicht nur mit der Brennweite, sondern auch mit den grossartigen Low-Light-Eigenschaften.

Entsprechende RF Objektive wären das RF 24mm F1.8 MACRO IS STM und das RF 50mm F1.2 L USM.

Was die Zukunft bringt

Eine Person mit kurzen gefärbten Haaren und einem Nasenring blickt in die Kamera.

Dieses Bild von Louis' zweitem Shooting wurde an den Kanälen in Manchesters Gay Village aufgenommen. „Ich wollte dieses Bild wie die letzte Einstellung eines Films gestalten, in dem die Figur niedergeschlagen ist und in die Kamera schaut, um die vierte Wand zu durchbrechen“, erklärt Louis. „Ich habe mir das 50mm-Objektiv von der Universität ausgeliehen und war begeistert, weil es die Farben auch bei wenig Licht wunderbar zur Geltung brachte.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS 6D Mark II und einem Canon EF 50mm f/1.2 L USM Objektiv bei 1/125 Sek., F2 und ISO 6.400. © Louis Painter

Louis hat grosse Ambitionen und hofft, weiterhin die queere Community zu fotografieren, das eigene Netzwerk zu erweitern und mehr einzigartige Geschichten und Erfahrungen zu finden. „Seit dem Abschluss meines Studiums wollte ich solche Emotionen wie queere Freude erforschen“, sagt Louis. „Ich möchte auch verschiedene Sexualitäten und Gender fotografieren – ich möchte queere People of Color, AMAB (bei der Geburt zugewiesene männliche Personen) und so viele andere fotografieren. Das ist der nächste Schritt.“

Louis hofft, diese Fotos eines Tages in gedruckter Form zu sehen, vielleicht in Form eines Bildbandes. „Das wäre ein guter Weg, um das Projekt zu beenden“, sagt Louis. „Ich bin zwar noch eine Weile davon entfernt, es zu erreichen, aber ich mache mehr Fotos und arbeite jeden Tag darauf hin.“

Die Porträts von Louis zeigen die Macht der Fotografie. Sie lassen die Menschen wissen, dass sie nicht allein sind, und zeigen, wie ein einziges Bild verschiedene Emotionen vermitteln kann, die sich nur schwer in Worte fassen lassen.


Geschrieben von Nikita Achanta

  1. Adobe, Photoshop und Lightroom sind entweder eingetragene Marken oder Marken von Adobe in den USA und/oder anderen Ländern.

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