Vor nur sieben Jahren stieg Jean-baptiste Liautard (Jb) in die seriöse Fotografie ein, und während mancher noch lange nicht Fuss gefasst hätte, machte er sich schnell einen Namen als ein Pionier unter den Extremsportfotografen, der fesselndes Bildmaterial im grössten Massstab entstehen lässt. Im zarten Alter von 25 Jahren ist er bereits Canon Botschafter mit einer Reihe von Auszeichnungen, einschliesslich des Fotos des Jahres 2019 von Pinkbike. Red Bull zählt zu seiner stetig länger werdenden Liste an Kunden.
Seine bemerkenswerte Arbeit ist das Ergebnis eines ausgeklügelten fotografischen Verfahrens. Mit seiner finalen Vorstellung vor Augen fotografiert Liautard über mehrere Phasen, in denen jeweils ein Einzelbild entsteht. In jeder Phase erweitert er die Komplexität um einige Schichten, bis seine Vorstellung Wirklichkeit geworden ist. „Zu Beginn des Foto-Shootings sollte jeder Fotograf sehr viele Bilder aufnehmen, denn es darf einem nichts entgehen“, erklärt er. „Ich möchte den richtigen Moment zur richtigen Zeit geschehen lassen. Ich arbeite so, dass ich ein Paar Bilder aufnehmen kann, die genau das sind, was ich mir im Bezug auf Licht und Zusammenstellung vorstelle. Das ist ein Ansatz, den ich schon sehr früh entwickelt habe, denn es langweilte mich, Bilder nachzubearbeiten, die mir nicht gefielen.“
Liautard folgte diesem Ansatz auch während seiner ersten Aufnahmen mit der Canon EOS R5 und dem Canon RF 15-35mm F2.8L IS USM Objektiv, wodurch ein unglaubliches finales Bild (oben) entstand. Mit uns bespricht er seinen Ansatz und die Techniken dahinter.
Mit Jean-baptiste Liautard eine Aufnahme aufbauen
Phase 1: Vorbereitung und Kennenlernen der Person im Bild
Liautard ist schon Stunden vor Beginn des Foto-Shootings vor Ort und vergewissert sich, dass alles bereit ist. „Für diese Aufnahme mussten wir den Rand des Absprungs und den Landebereich umbauen“, erklärt er uns. „Es musste alles perfekt sein, damit es für den Fahrer auch sicher war.“
Diese Zeit gibt Liautard auch Raum, um mit der Person in seinem Bild zu arbeiten. „Es ist wichtig, den Fahrer gut zu kennen, denn man kann ihn nur anweisen, etwas zu tun, wozu er auch in der Lage ist“, sagt er. „Es ist, als würde man Essen in einem Restaurant bestellen. Du weisst, der Fahrer hat ein Repertoire von 20 Tricks und du verlangst den Trick, von dem du denkst, dass er für diesen Job geeignet ist. Danach versuchen wir es, um zu sehen, ob es gut aussieht. Das sehen wir im ersten Testbild. Das zeigt uns, wie ein normales oder durchschnittliches Bild aussehen würde.“
Besitzt du eine Canon Ausrüstung?
Obwohl Liautard seine Kamera oft auf einem Stativ installiert, machte er diesmal seine Aufnahmen mit der Kamera in der Hand. „Ich wünschte, ich hätte zwei Stative“, erklärt er uns. Aber ich habe nun mal nur eins, und das wurde verwendet, um für die zweite Phase einen Spiegel aufzustellen.“
„Die interne Stabilisierung des Canon RF 15-35mm F2.8L IS USM Objektivs war sehr hilfreich, da das Live-Bild auf dem Bildschirm sehr stabil war, wodurch es einfach war, einen präzisen Bildausschnitt zu erhalten. Ich schalte für jede von Hand geführte Aufnahme IS ein, denn es hilft mir, meine Bewegungen zu korrigieren, zum Beispiel, wenn ich rennen muss, um in Position zu kommen.
„Die Umgebung war nicht wirklich schön“, erzählt er weiter, „also habe ich versucht, das Motiv zu isolieren, indem in eine grössere Brennweite (27 mm) verwendet habe, wodurch ich näher an das Motiv ran und Objekte im Hintergrund entfernen konnte. Das wurde auch mit einer Blende von 1:2,8 aufgenommen, um ein wenig Hintergrundschärfe einzubringen.“
Phase 2: Geometrie und Experimentieren
In der zweiten Phase des Prozesses begann Liautard durch den Einsatz eines grossen Spiegels Komplexität aufzubauen. „Das Ziel war es, ein geometrischeres Bild zu erhalten“, erklärt er uns. „Ich denke, dass unsere Gehirne so programmiert sind, dass etwas für uns gut aussieht, wenn es entlang einer Symmetrieachse geometrisch ist. Manche Leute erzeugen den Effekt mit Adobe® Photoshop®*, aber ich lasse ihn gerne im richtigen Leben entstehen. Nachdem ich also viel mit Pfützen experimentiert und mich darüber beschwert habe, dass nie ein See da ist, wenn er gebraucht wird, wollte ich einfach eine eigene Reflexion zur Hand haben.“
Liautard veränderte dann die Brennweite auf 15 mm. „Einen Spiegel zu haben, bedeutet, dass man ein Doppelbild hat, also muss die Aufnahme breiter sein, denn es gibt doppelt soviel Raum“, erklärt er. „Ich habe also meine Position auch etwas verändert – bei der vorhergehenden Aufnahme wollte ich den Fahrer vor dem Himmel haben, sodass man ihn besser sehen kann. Hier wollte ich allerdings wirklich am Rand des Absprungs sein, um diese Symmetrie entstehen zu lassen.“
Wenn Actionsport auf Architekturfotografie trifft
Obwohl Liautard Spiegel häufig horizontal einsetzt, um die Wirkung eines Sees oder einer Pfütze zu erhalten, musste bei dieser Aufnahme ein wenig experimentiert werden. „Es war das erste Mal, dass ich eine vertikale Spiegelreflexion verwendet habe“, fährt er fort. „Dieses Mal, dachte ich, sollte der Absprung wie ein Vulkan in der Mitte aussehen, mit dem Fahrer mit ausgestreckten Armen auf beiden Seiten.
Der Spiegel stand auf meinem Stativ, das an einen Baum gelehnt war. Mein Assistent half mir, ihn im perfekten Winkel zu halten. Ich habe meine Position verändert, und sobald ich die perfekte Position gefunden hatte, hielt mein Assistent den Spiegel für die Aufnahme. Natürlich ist es einfacher, wenn ich die Aufnahme mit einem horizontalen Spiegel mache. Beim nächsten Mal versuche ich, einen geeigneten Weg zu finden, um ihn aufzustellen.
„Es klingt vielleicht sehr einfach, Aufnahmen mit einem Spiegel zu machen“, fährt Liautard fort, „aber man muss bedenken, dass ein Spiegel aus verschiedenen Glasschichten besteht, und je länger das Objektiv ist, desto mehr Verwacklungen und Ghosting-Effekte treten auf. Ich schlage also vor, im Bereich zwischen 15 mm und 35 mm zu bleiben, um eine gute Bildqualität und Schärfe in der Reflexion aufrecht zu erhalten.“
Phase 3: Licht, Kamera, Action!
Für das finale Bild wurden vier Canon Speedlite 600EX II-RTs, die per Funk ausgelöst wurden, mit einer Verschlusszeit von 1/200 s verwendet. Die Blitzgeräte hielten die Aktion fest und nicht die Verschlusszeiten“, verrät Liautard. „Obwohl ich manchmal gerne etwas Umgebungslicht einbringe, indem ich die Verschlusszeit verringere, habe ich hier die Blende bei 1:4 verwendet, denn ich wollte ein wenig Schärfe und eine grössere Schärfentiefe gewinnen.“ Der ISO-Wert betrug 1250.
„Es handelt sich um einen etwas komplizierteren Aufbau“, gibt er im Bezug auf die Beleuchtung zu. „Wir wollten eigentlich Rauch haben, aber da waren zu viele Bäume und es sah nicht gut aus. Rauch mit einem Weitwinkelobjektiv zu benutzen ist kompliziert, wenn ein grosser Bereich abgedeckt werden muss. Ausserdem war der Absprung von vielen Hindernissen umgeben, wodurch es schwierig war, meine Blitzgeräte und die Feuer, die für den Rauch gebraucht wurden, zu positionieren.“
„Letztendes habe ich mit Speedlites und Gelfiltern eine Stimmung erzeugt“, fährt Liautard fort. „Ich hatte zwei davon mit blauen Gelfiltern im Hintergrund platziert, die vom Boden aus nach oben ausgerichtet waren. Sie waren etwa fünf Meter hinter dem Fahrer, wurden aber durch den Absprung verdeckt, wodurch das Licht nicht in den Vordergrund dringen konnte. Die Zooms der Blitzgeräte waren auf 24 mm eingestellt, sodass sie alle Bäume beleuchten konnten, obwohl sie sehr nah daran positioniert waren. Ich habe zwei davon verwendet, also hatte ich noch mehr Power.“
Aus Sicherheitsgründen wurde die Vordergrundbeleuchtung hinzugefügt. „Da wir die Aufnahmen nachts gemacht haben, habe ich zwei Sätze von durchgehenden Lichtern an der Vorderseite verwendet, damit der Fahrer sehen konnte, wo er landet. Es sah cool aus, einige Lichter auf dem Absprung zu haben, besonders, da ich keinen Rauch im Hintergrund hatte, also haben wir sie drin gelassen.“
Und schliesslich musste auch der Fahrer selbst beleuchtet werden. Ich habe ein Blitzgerät auf der linken Seite vom Boden des Landebereichs aus direkt auf den Fahrer ausgerichtet. Und es gab noch ein weiteres auf der anderen Seite, das von dem Spiegel verdeckt wurde – man erkennt gerade so den Kontrast auf der rechten Seite des Baums. Also gab es auf beiden Seiten des Absprungs ein Speedlite ohne einen Gelfilter.“
Als die letzte Aufnahme abgeschlossen war, war Liautards kreative Vorstellung Wirklichkeit geworden. Es mag überraschen, aber es ist eine Vorstellung, die einen gewissen Grad an Unvollkommenheit zulässt. „Wenn man Aufnahmen mit einem Spiegel macht, reicht die Aufnahme zum Beispiel nicht ganz an den Baum heran“, sagt er. „Wenn man also den Baum betrachtet, fällt auf, dass ein kleines Stück nicht vollkommen symmetrisch ist. Das ist nun mal ein Teil unseres Spiels.“
*Adobe und Photoshop sind entweder Marken oder eingetragene Marken von Adobe in den USA und/oder anderen Ländern.
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