Oft wird angenommen, dass Fotografen soziale Medien benutzen müssen, um ein Publikum zu erreichen und erfolgreich zu sein. Durch soziale Medien kannst du ohne Zweifel deine Bekanntheit steigern und potentiellen Arbeitgebern deine Arbeit vorstellen. Es gibt jedoch auch bekannte Nachteile. Wer viel auf sozialen Medien postet, kann süchtig danach werden, und negative Auswirkungen für die mentale Gesundheit davontragen. Auch mit unangemessener Kritik und sogar Beleidigungen musst du rechnen. Viele Follower bedeuten nicht automatisch viel bezahlte Arbeit.
Sogar erfolgreiche Fotografen haben verschiedene Ansichten bezüglich sozialer Medien und der Häufigkeit der Nutzung. Viele nutzen sie bis zu einem gewissen Grad, doch manche erreichen ihr Publikum und verdienen ihre Aufträge lieber auf anderen Wegen.
Evely Duis ist eine Mode-Fotografin und Canon Ambassador, deren stilvolle Porträts Glamour verkörpern. Sie arbeitet von einem Studio in den Niederlanden aus, hat aber dank den sozialen Medien ein globales Publikum und schon für hochkarätige internationale Marken gearbeitet.
Der Fotojournalist Jérôme Gence, ebenfalls Canon Ambassador, vertritt im Gegensatz dazu einen anderen Ansatz. Seine Fotogeschichten erscheinen in Publikationen wie National Geographic und Le Monde, doch seine eigenen Arbeiten zeigt er nicht auf den sozialen Medien.
Die verschiedenen Haltungen bezüglich sozialer Medien von Duis und Gence machen deutlich, dass es keinen vordefinierten Ansatz für den Umgang mit Fotos und Videos gibt. In diesem Artikel diskutieren sie die Vor- und Nachteile von sozialen Medien für Berufsfotografen.
Sozialen Netzwerken
Ein Leben online: die Vor- und Nachteile von sozialen Medien, um deine Inhalte zu bewerben
Ein Leben in sozialen Netzwerken
Gence versteht Kreativschaffende, die soziale Medien verwenden, aber hat für sich selbst kein Interesse daran. „Wir fragen auch keine Content Marketing Manager, dass sie ihre Arbeit in den sozialen Medien präsentieren. Warum müssen es also Fotografen tun?“, sagt er. „Im Marketing gibt es einen Spruch, der lautet: ‚Alles ist möglich, solange du einen Account hast‘. Das stimmt nicht für alle.“
Die Ansicht von Duis könnte nicht unterschiedlicher sein. Sie ist sich der Vor- und Nachteile bewusst, doch verwendet soziale Medien schon seit sie 13 Jahre alt ist. Für sie überwiegen ganz klar die Vorteile. Sie sagt, dass sie sich durch soziale Netzwerke beruflich nicht nur mit anderen Menschen vernetzen konnte, sondern auch ihr eigenes Geschäft auf ihre Art aufgebaut hat. „Ich wohne in einem sehr kleinen Dorf, weit entfernt von der Modebranche in Amsterdam“, erklärt sie. „Meine Kunden müssen zu meinem Studio kommen, aber dank der sozialen Medien kann ich meine Arbeit überall zeigen.“
Lars Lindemann, Kameramann beim GEO Magazin stellt während eines Gesprächs für Canon Student Development Programme in Frage, ob man versuchen sollte, ohne soziale Medien erfolgreich zu sein. „Ich denke, es ist möglich, aber es ist so viel einfacher [mit sozialen Medien], insbesondere wenn du irgendwo wohnst, wo die wichtigsten Drehpunkten der Branche nicht unbedingt erreichbar sind.“
Kontakte knüpfen
Duis nutzt hauptsächlich Instagram und TikTok, um ihre Arbeit zu präsentieren, aber auch LinkedIn für Präsentationen und Veranstaltungen. Jede dieser Plattformen zielt auf einen anderen Teil ihres Publikums ab.
Instagram und LinkedIn sind für sie besonders wertvoll, wenn es darum geht, mehr Arbeit und neue Ideen für zukünftige Projekte zu finden sowie Kontakte über verschiedene Teile der Branche hinweg zu knüpfen.
Sie fotografiert nicht nur für Marken im Mode- und Kosmetikbereich, sondern schiesst auch Porträts von ganz gewöhnlichen Menschen. „Meine Aufgabe ist es, Bilder zu machen“, sagt sie. „Manchmal arbeite ich dafür mit Models und manchmal mit Menschen, die vielleicht ein paar schöne Fotos für ihre Website möchten.“ Diese Arbeitsporträts sind besonders auf LinkedIn sehr beliebt – und wenn die Kunden ihre neuen Bilder teilen und Duis darauf markieren, ist das natürlich die beste Werbung für ihre Services.
Im Gegensatz dazu hat Gence seinen ersten grossen Auftrag erhalten, indem er 2019 einen 15-minütigen Termin bei einem wichtigen Fotoredakteur von Visa pour l'Image gebucht hat, der sein Portfolio bewertete. Bis heute bevorzugt er diese persönliche Note, wenn es um die Veröffentlichung seiner Geschichten geht. Er überrascht auch gerne die Fotoredakteure mit Werken, die sie noch nirgends online gesehen haben.
„Fotoredakteure erhalten so viele Fotos und meistens zum gleichen Thema“, sagt er. „Ich mag es, sagen zu können: ‚Ich habe etwas, was ihr noch nie zuvor gesehen habt. Ich zeige euch Dinge, die mich beim Fotografieren begeistert haben‘.“
Besitzt du eine Canon Ausrüstung?
Lindemann betont jedoch, dass soziale Medien für ihn ein nützliches Tool sind, um potentielle Fotografen zu erreichen. „Ich teile die Arbeit von GEO nicht für unsere Leser, sondern damit Fotografen wissen, was wir tun. Durch die sozialen Medien können sie auf dem Laufenden bleiben, an welchen Themen GEO für ihre Publikationen interessiert ist.“
Wenn Lindemann einen Fotografen auf Instagram sieht, den er gut findet, ist das nur der erste Schritt für eine Kontaktaufnahme. „Dann frage ich herum, schaue mir die Website an und wenn ich die Person bisher noch nicht kennengelernt habe, will ich mit ihr sprechen – aber nicht nur über E-Mail.“
Gence gibt zu, dass sein Verzicht auf soziale Medien es ihm manchmal erschwert hat, mit den Menschen in Kontakt zu treten, die er gerne für seine Geschichten fotografieren will. „Wenn ich mich mit Menschen vernetzen will, ist das Erste, was sie mich fragen ‚Was ist dein Instagram-Account?‘. Wenn ich ihnen dann sage, dass ich keinen habe, glauben sie mir nicht.“
Um diese Situation zu umgehen, setzt er auf eine klare Kommunikation mit den Protagonisten seiner Geschichten. „Ich erkläre ihnen Schritt für Schritt, wie ich arbeite. Ich verbringe Zeit mit ihnen und versuche, ihr Leben zu verstehen, was sie wiederum berührt.“
Verbindungen aufbauen oder nicht
Auch wenn Duis den sozialen Medien viel zu verdanken hat, ist sie sich der negativen Seiten durchaus bewusst. Viele davon sind technischer Natur. „Mit dem Instagram-Algorithmus verbindet mich eine Hassliebe“, sagt sie. „Manchmal kommen viele Follower dazu und andere Male scheint niemand meine Inhalte zu sehen.“
Es gibt auch persönliche Nachteile – wie die meisten Frauen hat sie im Netz schon mit unerwünschter Aufmerksamkeit von Fremden Erfahrung gemacht. Ihre Strategie ist es, diese Menschen zu blockieren und die Nachrichten zu ignorieren. „Es ist kein Hass, sondern eine falsche Art von Bewunderung“, sagt sie.
Inwiefern verändern Social Media die Welt des Filmemachens?
Gence hingegen macht sich Sorgen, dass der endlose Kampf um „Likes“ und „Shares“ die Moral der Fotografen negativ beeinflusst. „Einige Studenten, die ich kennengelernt habe, haben das Gefühl versagt zu haben, wenn die positiven Reaktionen ausbleiben“, sagt er. „Sie haben ein gutes Foto veröffentlicht und sagen mir ‚Es hat nur drei oder vier Likes‘. Bei den sozialen Medien spielen aber so viele Faktoren mit – Algorithmen, schnelles Durchscrollen – es geht nicht wirklich um dein Talent.“
Als Lösung will er Menschen, besonders junge Fotografen, dazu ermutigen, andere Wege zu entdecken, um ihre Arbeiten zu zeigen, z. B. Veranstaltungen, bei denen Portfolio-Reviews angeboten werden. „Es kann wirklich sinnvoll sein, bei einer Veranstaltung mit einem Fotoredakteur zu sprechen“, sagt er. „Du kannst da sehr gute Tipps bekommen. Es ist doch unglaublich, wenn die wichtigsten Menschen der Branche meine Fotos betrachten.“
Lass die sozialen Medien für dich arbeiten
Seine Arbeit ohne soziale Medien zu bewerben und Aufträge zu erhalten, ist schwierig, doch Gence zieht das der Alternative vor. „Ganz ehrlich, ich denke, es ist noch schwieriger mit sozialen Medien“, sagt er. „Du musst ständig etwas posten, um im Rennen zu bleiben, und du musst dich an dein Publikum anpassen und die Kommentare beantworten. Ich will das nicht. Ich erstelle lieber moderne Geschichten auf dem altbewährten Weg.“
Auch Duis kann sich ihre Arbeit nicht anders vorstellen. „Bei mir hat alles mit sozialen Medien angefangen. Es fühlt sich für mich also ganz natürlich an, meine Sachen online zu posten“, sagt sie. Ihrer Erfahrung nach geht es darum, Verbindungen zu anderen Menschen zu schaffen, die sowohl ihr Arbeits- als auch Privatleben bereichern.
„Ich suche online nach neuen Kunden“, fügt sie hinzu. „Beispielsweise wenn ich das Profil einer Schmuckmarke ansehe und denke ‚Oh, sie bräuchten bessere Fotos‘, dann kontaktiere ich sie. Oder vielleicht finde ich andere Fotografen in meinem Alter oder im gleichen Arbeitsbereich. Es ist nett, sie zu fragen ‚Machen wir etwas zusammen, ein gemeinsames Shooting oder einfach nur einen Kaffee trinken‘.“
Lindemann rät Fotografen, sich anstatt ihres Profils auf ihre Inhalte zu konzentrieren. „Es ist nicht das Design oder wie du die Posts gliederst oder wie oft du etwas postest, sondern es die Qualität der visuellen Arbeit selbst“, erklärt er.
Soziale Medien sind inzwischen Teil unseres Lebens, doch es ist eine persönliche Entscheidung, wie wir sie nutzen und mit welcher Häufigkeit. Einige Fotografen lehnen sie komplett ab. Das Beispiel von Gence zeigt jedoch, dass dieser Ansatz auch gut funktionieren kann. Für die grosse Mehrheit, die soziale Medien verwendet, ist es wichtig, das richtige Mittelmass zu finden, damit die Karriere gefördert, doch das tägliche Leben nicht negativ beeinflusst wird.
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