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Kampf gegen den kreativen Burnout: Tipps, um deiner Fantasie wieder auf die Sprünge zu helfen

Wie kann man die Liebe zur Fotografie neu entfachen? Zwei Profis, die selbst Burnout-Symptome erlebt haben, geben Tipps, wie man die Freude an dieser Kunst wiedererlangen kann.
Ein Krauskopfpelikan hebt in den dunklen Gewässern der Feuchtgebiete des Donaudeltas ab, aufgenommen von Jonas Classon.

„Ich habe erkannt, dass es bei der Fotografie für mich darum geht, meine eigenen Sachen zu machen und nicht zu versuchen, andere Leute glücklich zu machen; das zu tun, was ich liebe und es auf meine Weise zu tun“, sagt der Vogelfotograf Jonas Classon. Aufgenommen mit einer Canon EOS R3 und einem Canon RF 400mm F2.8 L IS USM Objektiv mit Canon Extender RF 1.4x bei 560mm, 1/2.000 Sek., F4 und ISO 3.200. © Jonas Classon

Kreativität ist die Antriebskraft bei der Arbeit eines Fotografen. Wenn du innovative Ideen hast, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass du mehr Kunden anziehst und Projekte realisierst, die dir wirklich Spass machen und die du mit Freude ablieferst. Was passiert aber, wenn sich ein kreativer Burnout abzeichnet?

Auch wenn sie schwer zu definieren sind, zeigen sich Burnout-Symptome oft als körperliche, emotionale und kreative Erschöpfung bei der Arbeit. Du hast keine guten Ideen und machst dir wahrscheinlich Sorgen über die Folgen. Es kann lange dauern, sich davon zu erholen. Künstlerische Berufe sind oft Burnout-gefährdet. Es kann schwierig werden, weiterhin im Studio oder vor Ort zu arbeiten, um ein regelmässiges Einkommen zu erzielen.

Immer mehr Fotografen sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, wie z.B. dem ständigen Schaffen neuer Arbeiten, längeren Arbeitszeiten, emotional belastenden Aufträgen in einem schwierigen Umfeld, der Aufrechterhaltung eines Unternehmens in einer wettbewerbsintensiven Branche und dem Umgang mit anspruchsvollen Kunden. Hinzu kommt die Erwartung, ständig sinnvolle Inhalte für Social Media zu generieren. Es mag anstrengend sein, ständig kreativ sein zu müssen, aber es ist wichtig, trotz allem die Liebe zum Handwerk zu bewahren.

Auch professionellen Fotografen mit langjähriger Erfahrung ist ein kreativer Burnout nicht fremd, und wir haben zwei Canon Ambassadors gebeten, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Die in London ansässige ungarische Mode- und Porträtfotografin Wanda Martin zählt unter anderem Dior, Atlantic Records und Burberry zu ihren Kunden. Der schwedische Naturfotograf Jonas Classon ist von Vögeln fasziniert, und seine preisgekrönten Bilder wurden bereits in der ganzen Welt ausgestellt.

Hier reden sie darüber, wie man die Anzeichen einer kreativen Blockade erkennt, und geben Tipps, wie man sich von einem Burnout erholen kann, und vor allem, wie man den von vornherein vermeiden kann.

Ein Selbstporträt der Mode- und Porträtfotografin Wanda Martin, die eine schwarze Jacke mit rosa Kragen, einen langen Perlenohrring und ein um den Kopf gewickeltes Handtuch trägt.

„Wenn man ständig arbeitet, hat man keine Zeit und Energie, mit neuen Dingen zu experimentieren, um die eigene Arbeit und die Möglichkeiten aus einer neuen Perspektive zu betrachten – das ist nach einer Weile nicht mehr gesund“, sagt Wanda, die ihre Fähigkeiten als Fotografin bei der Aufnahme von Selbstporträts verfeinert hat. „Man muss auch seine Hobbys leben und sich davon inspirieren lassen. Das wird sich auch in der Arbeit widerspiegeln.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS-1D X Mark III und einem Canon EF 24-70mm f/2.8 L II USM Objektiv bei 24mm, 1/80 Sek., F8 und ISO 2.500. © Wanda Martin

Der Fotograf Jonas Classon steht in einer Ausstellungshalle neben „Night Hunter“, seinem preisgekrönten Foto einer grossen grauen Eule.

Nach dem Interesse der Presse an seinem preisgekrönten Foto „Night Hunter“, das hier in seiner Ausstellung Beyond Dreams zu sehen ist, litt Jonas unter Symptomen eines kreativen Burnouts. „Wenn ein Bild plötzlich so viel Aufmerksamkeit bekommt und sich viral verbreitet, ist das echt toll, aber ich denke, es ist auch gefährlich“, erklärt er. „Man darf nicht versuchen, jedes Mal mit diesem Erfolg zu konkurrieren, denn dann wirst du am Ende vollkommen erschöpft sein.“

Die verräterischen Anzeichen eines Burnouts erkennen

Ein klassisches Anzeichen für Burnout ist, wenn deine Fotografie einfallslos wird und sich nicht mehr weiterentwickelt. Wanda geriet in eine Spirale der Wiederholung, in der sie unbewusst anfing, für Kunden auf die gleiche Weise zu fotografieren – ein deutliches Zeichen für kreativen Burnout nach Zeiten intensiver Arbeit.

„Ich fing an, ähnliche aussehende Editorials zu kreieren, und die gleichen Posen, Blickwinkel und Lichter kehrten immer wieder zurück. Das ist bis zu dem Punkt grossartig, an dem man sagen kann, dass dies die eigene Marke, der eigene Stil und die eigene Ästhetik ist“, fährt sie fort. „Es ist aber ein schmaler Grat zwischen dem eigenen Stil und langweiligen Wiederholungen.“

Jonas erlebte einen Burnout, als er für sein zweites Buch und für sein Foto der Graueule „Night Hunter“, das bei den Siena International Photo Awards 2020 in der Kategorie „Animals in their Environment“ (Tiere in ihrer Umgebung) ausgezeichnet wurde, ausserordentlich viel Aufmerksamkeit erhielt.

„Ich war erschöpft und konnte einfach nichts Kreatives mehr tun; es war wie ein Blackout“, beschreibt er. „Ich war für diese Art von Aufmerksamkeit einfach nicht bereit, denn als das zweite Buch auf den Markt kam, befand ich mich mitten auf meiner kreativen Reise – ich schrieb Bücher, machte Ausstellungen und hielt Vorträge, und alles machte mir wirklich Spass und bewegte sich auf einem normalen Niveau. Dann wurde plötzlich alles sehr real und sehr gross.

„Ich war in 10 verschiedenen Fernsehsendungen in Schweden zu sehen, gab Interviews auf der ganzen Welt und erhielt Anfragen für grosse internationale Ausstellungen und Vorträge. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet, und alle fragten mich: ‚Was machst du als Nächstes?‘ Ich hatte keine Ahnung. Ich habe dann beschlossen, nicht zu versuchen, ständig mit diesem Bild zu konkurrieren. Ich denke, wenn so etwas passiert, muss man einfach auf demselben Weg bleiben, auf dem man war.“

Logo der Canon Redline Challenge.

Die Redline Challenge

Erfahre mehr über das diesjährige Thema „Room to Breathe“, und wie du mit deinen Fotos am Wettbewerb teilnehmen kannst.
Ein Bienenfresser auf der Jagd nach Insekten im letzten Abendlicht in Südrumänien auf einem Foto von Jonas Classon.

„Ich arbeite immer noch daran“, sagt Jonas über die Überwindung seines kreativen Burnouts. „Sechs Monate lang sass ich nur in meinem Büro und versuchte, eine neue Idee zu finden oder mich zu einem besseren Bild oder Projekt zu zwingen. Mein Ausweg war, den Computer auszuschalten, raus in die Natur zu gehen und auf meine innere Stimme zu hören. Im März 2024 werde ich mein drittes Buch veröffentlichen.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS R3 und einem Canon RF 400mm F2.8 L IS USM Objektiv bei 1/3.200 Sek., F4 und ISO 400. © Jonas Classon

Nach einem kreativen Burnout den eigenen Weg wiederfinden

Jonas erholte sich, indem er in die ruhige Atmosphäre der Natur eintauchte, der Umgebung, die ihn ursprünglich zu seinem Handwerk inspirierte.

„Ich habe das Ganze überstanden, indem ich einfach raus in die Natur ging, um meinen Seelenfrieden wieder zu finden, mich zu erholen und meine innere Stimme wieder zu hören“, sagt er. „Ich brauchte einfach Zeit, um zu reflektieren, was passiert ist und was ich tue, um meinen eigenen Weg wieder zu finden. Ich habe meine Kamera sechs Monate lang nicht angerührt. Ich konnte es einfach nicht. Es war unmöglich, denn ich bekam regelrechte Panikattacken. Ich hatte diese grosse Wolke von Erwartungen aufgebaut, die ich glaubte, erfüllen zu müssen.

„Nach sechs Monaten, in denen ich nur nachgedacht und in der Natur gearbeitet habe, wurde mir klar, dass ich nichts ändern werde, und dass ich versuchen werde, denselben Weg weiter zu gehen, den ich in den letzten zehn Jahren gegangen war. Meine Lösung bestand darin, den Computer auszuschalten, die Kamera links liegen zu lassen und raus in die Natur zu gehen“, fügt er hinzu.

Ein Selbstporträt mit Fisheye-Objektiv von Wanda Martin in einem wogenden schulterfreien Top, die ihre Hand seitlich in das Bild hält.

Wanda entdeckte ihre Liebe zur Fotografie durch ein persönliches Projekt während des Lockdowns wieder und schlägt vor, dass auch diejenigen, die unter einem Burnout leiden, sich wieder auf das besinnen, was ihre Leidenschaft für die Fotografie ursprünglich ausmachte. Aufgenommen mit einer Canon EOS-1D X Mark II (mittlerweile ersetzt durch das Nachfolgemodell Canon EOS-1D X Mark III) und einem Canon EF 8-15mm f/4 L Fisheye USM Objektiv bei 8mm, 1/640 Sek., F8 und ISO 640. © Wanda Martin

Fotografiere mal wieder nur für dich selbst

Der Covid-19-Lockdown bot Wanda die Gelegenheit, ein persönliches Projekt wieder aufzugreifen, das ihren kreativen Funken neu entfachte. „Die kreativen Spielereien während des Lockdowns halfen mir zu erkennen, dass ich mich zuvor viel zu sehr auf meine kommerzielle Arbeiten konzentriert hatte, was schliesslich zu den Wiederholungen in meiner Fotografie führte“, sagt sie. „Ich hatte 14 Jahre lang als professionelle Fotografin gearbeitet, und während des Lockdowns war da plötzlich die Möglichkeit, mich auf meine Wurzeln zu besinnen und an diesem speziellen persönlichen, konzeptionellen Projekt, das ich ‚Songs of Innocence and Experience‘ genannt habe, zu arbeiten. Ich war auf mich allein gestellt und hatte jede Menge freie Zeit zur Verfügung.“

Bei diesem Projekt handelt es sich um eine fortlaufende Selbstporträt-Collage, die Wanda als „eine Reflexion über die postmoderne Liebe“ beschreibt und mit dem sie ihre Beziehung zur Liebe als eine Form der Kunsttherapie ausdrückt und erkundet. Sobald man die Kamera nur für sich selbst und ohne Druck in die Hand nimmt, sagt sie, beginnt man mit Techniken zu experimentieren, die man sonst vielleicht nie ausprobiert hätte.

„Ich konnte ganz neue fotografische Techniken ausprobieren – manchmal sogar selbst erfundene – und experimentieren, ohne die Verantwortung zu tragen, die Erwartungen eines Kunden erfüllen zu müssen. Ich habe nur um des Schaffens willen geschaffen“, sagt Wanda. „Obwohl es während des Lockdowns war, gab mir das komischerweise ganz viel Freiheit, denn die Fotografie wurde wieder zu meiner Flucht. Es fühlte sich sehr befreiend an, genau wie damals, als ich mich mit 17 Jahren zum ersten Mal in die Fotografie verliebte.“

Schnee fällt auf eine Figur, die auf der Chinesischen Mauer steht und einen auffälligen pinken Regenschirm hält. Aufgenommen von Joel Santos.

Minimalismus mit der Fotografie einfangen

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Silberreiher auf der Jagd nach Fischen in den Feuchtgebieten von Bharatpur, Indien, auf einem Foto von Jonas Classon.

„Für mich war es ziemlich hart, aus dem Nichts zu kommen und plötzlich in Schwedens meistgesehener Fernsehsendung zu sitzen. Aber es war ein wirklich guter Wendepunkt in meiner Karriere, diese Zeit zu haben, um nachzudenken und den Sinn dessen zu finden, was ich tue und warum ich es tue“, erzählt Jonas. „Ich mache das aus Liebe zur Natur. Die Natur ist mein Raum zum Atmen. Aufgenommen mit einer Canon EOS R5 mit einem Canon RF 400mm F2.8 L IS USM Objektiv bei 1/2.000 Sek., F5.6 und ISO 1.250. © Jonas Classon

Auf dem Foto von Wanda Martin schwimmen Blätter in einer mit Kerzenleuchtern umstellten Badewanne.

„Die wahre Freiheit entsteht, wenn man nicht den Druck hat, jemandem [einem Kunden] ein Projekt zu zeigen, bevor man mit dem Ergebnis vollkommen zufrieden ist“, sagt Wanda. „Einfach experimentieren, neue Dinge lernen, Spass haben, herumspielen. Das ist so wichtig, um die Begeisterung zu erhalten.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS-1D X Mark II (mittlerweile ersetzt durch das Nachfolgemodell Canon EOS-1D X Mark III) und einem Canon EF 24-70mm f/2.8 L II USM Objektiv bei 24mm, 1/200 Sek., F6.3 und ISO 3.200. © Wanda Martin

Zeit für Hobbys nehmen, um Burnout vorzubeugen

Sich Zeit für Hobbys zu nehmen, ist für beide Fotografen wichtig, um einen frischen Blick auf ihre Arbeit zu bekommen. Jonas findet beim Angeln die nötige Auszeit von der Fotografie, um sich dann wieder erfrischt seiner Kamera zuzuwenden.

„Wenn man 10 Stunden in einem Boot sitzt und versucht, Fische zu fangen, kommt man gar nicht umhin, wirklich nachzudenken und nicht immer nur zu kreieren und zu produzieren. Man bekommt den Kopf frei und schafft dort ganz neue Räume“, sagt er. „Es war für mich sehr hilfreich, einfach Zeit und Raum zu schaffen, denn dann kommen die besten Ideen. Suche dir etwas, das du gern tust, lasse deinen kreativen Geist ruhen und finde einfach deinen inneren Frieden und die völlige Stille.“

Wanda stimmt dem zu. Für sie bedeutet das aber auszugehen und andere Menschen zu treffen. „Ich finde es sehr hilfreich, die Arbeit für ein paar Stunden, Tage oder manchmal sogar Wochen beiseite zu legen und Live-Bands, Filme, Theaterstücke und Ausstellungen zu besuchen oder zu reisen, um Kontakte zu knüpfen, Leute zu treffen und einfach zu reden“, sagt sie. „Auch wenn das nicht direkt nach Arbeit klingt, so ist es doch sehr inspirierend, und man kann es als Teil der Erkundung betrachten und gleichzeitig auftanken.

„Ich glaube, der Burnout kommt, wenn man seine Leidenschaft für das verliert, was man früher am meisten geliebt hat. Wenn die Fotografie vom Hobby zum Beruf wird, ist das eine heikle Sache – insbesondere, wenn man davon leben, die Rechnungen bezahlen und daher manchmal auch Jobs annehmen muss, die nicht wirklich kreativ erfüllend sind. Ich glaube, das Wichtigste ist, auch mal Projekte nur für sich selbst zu fotografieren, um glücklich zu sein und achtsam mit sich umzugehen.“

Lorna Dockerill

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