Das RF 100-300mm F2.8 L IS USM ist das erste 100-300mm F2.8 Objektiv von Canon. Es verbindet die Vielseitigkeit eines Zooms mit der Fokussiergeschwindigkeit, Schärfe und optischen Qualität einer Festbrennweite und einer konstanten Lichtstärke von 1:2,8 über den gesamten Brennweitenbereich sowie einem optischen Bildstabilisator. Als Flaggschiff-Objektiv der L-Serie enthält es neue Technologien und ist so konzipiert, dass es die neuesten Kamerafunktionen unterstützt, darunter High-Speed-Reihenaufnahmen und die erweiterte Motiverkennung und -Nachführung. Bemerkenswert ist, dass es all dies bietet und dabei gleichzeitig das leichteste Objektiv seiner Klasse ist.
Wie also wurde dieses fortschrittliche Objektiv entwickelt, welche Herausforderungen mussten das Entwicklerteam bewältigen und welche technischen Fortschritte wurden bei seiner Herstellung erzielt?
Um das herauszufinden, haben wir mit den Designern und Entwicklern gesprochen, die hinter diesem Objektiv stecken, um mehr darüber zu erfahren.
TECHNOLOGIE
Hintergrundwissen zum Objektivs: Die Inside-Story von den Entwicklern des
RF 100-300mm F2.8 L IS USM
Was war das Ziel bei der Entwicklung des RF 100-300mm F2.8 L IS USM?
Yuriyo Asami: Momentan wird das Canon Objektiv EF 300mm f/2.8 L IS II USM für diverse Aufnahmesituationen, einschliesslich der Sportfotografie eingesetzt. Mit den Fortschritten des Canon EOS R Systems begannen wir, über die Entwicklung eines RF Objektivs nachzudenken, das die Vorteile der hohen Lichtstärke, der geringen Schärfentiefe und des starken Kompressionseffekts bietet, für die das 300mm f/2.8 sich seinen Namen gemacht hat. Daraus entstand die Idee, die Aufnahmemöglichkeiten mit einem F2.8 Telezoomobjektiv zu erweitern, das sich in den unterschiedlichsten Situationen einsetzen lässt.
Makoto Hayakawa: Wir wollten auch den Bedarf nach einem Objektiv mit einer grösseren Brennweite als das RF 70-200mm F2.8 L IS USM abdecken, dabei aber eine höhere Lichtstärke als mit dem RF 100-500mm F4.5-7.1 L IS USM erreichen. Das RF 100-300mm F2.8 L IS USM entstand aus dem Wunsch, die optische Leistung eines Objektivs mit fester Brennweite in einem leichten, kompakten Gehäuse zu vereinen, das eine hohe Mobilität bietet.
Wir haben die Kombination des EF 300mm f/2.8 L IS II USM mit einem EF-EOS R Adapter als Massstab für Länge, Gewicht und Abbildungsqualität gesetzt. Das Objektiv selbst wiegt etwa 2,35 kg. Auf dieser Grundlage fügten wir einen 3fach-Zoom hinzu, legten ein Zielgewicht von maximal 2,6 kg fest, um die Handhabung bei Aufnahmen aus der freien Hand zu erleichtern, und entwickelten so eine Technologie nach der anderen.
Wie habt ihr die hohe Abbildungsqualität für alle Brennweiten und Aufnahmeabstände erreicht?
Masato Katayose: Was das optische Design betrifft, so haben wir eine hohe Abbildungsqualität von der Mitte bis zum Rand des Bildes erreicht, indem wir das geringe Auflagemass des RF Bajonetts genutzt und die Linsen näher am Bajonett platziert haben. Wir haben Fluorit- und UD-Linsen eingesetzt, um in jeder Gruppe die Aberrationen besonders im Telebereich zu reduzieren. Wir haben drei UD-Linsen in der Nähe der Blende verwendet, um die chromatische Aberration in der Bildmitte zu reduzieren.
Für die letzte Linsengruppe wurde eine gepresste asphärische Linse (GMo) mit einem grossen Durchmesser verwendet. Dies war ein wichtiger Faktor bei der Reduzierung der Anzahl der Linsen und der Erzielung einer hohen Abbildungsqualität. Wir haben das Objektiv so konstruiert, dass chromatische Aberrationen gründlich reduziert werden und der weiche Bokeh-Effekt des EF 300mm f/2.8 Objektivs erhalten bleibt. Zur Reduzierung von Geisterbildern haben wir ausserdem die ASC-Vergütung (Air Sphere Coating) eingesetzt, um einen hohen Antireflexionseffekt zu erzielen.
Hayakawa: Bei der mechanischen Konstruktion haben wir eine neue kugelgelagerte Struktur eingebaut, die den Nockenring der Zoom-Linsengruppe hält, der sich beim Zoomen vor und zurück bewegt. Die kugelgelagerte Struktur verhindert ein Klappern und stabilisiert die Position der Linsengruppe. Obwohl es sich beim RF 100-300mm F2.8 L IS USM um ein Zoomobjektiv handelt, konnten wir so eine optische Leistung gewährleisten, die sich mit der eines Objektivs mit fester Brennweite messen kann.
Besitzt du eine Canon Ausrüstung?
Apropos mechanische Konstruktion: Könnt ihr uns etwas über den verbesserten Autofokus erzählen?
Nobuyuki Nagaoka: Wir haben eine elektronische Innenfokussierung mit zwei Nano USMs verwendet, die wir bereits in anderen L-Serie RF Zoomobjektiven eingesetzt haben. Nano USMs haben hervorragende Steuerungseigenschaften, sind sehr leise und eignen sich sowohl für Video- als auch für Fotoaufnahmen. Ich glaube, wir haben in den Bereichen AF-Geschwindigkeit und -Präzision sowie optische Leistung das höchste Niveau erreicht.
Ausserdem haben wir ein optisches Design entwickelt, bei dem sich die Antriebsbereiche der Fokussierlinse und der beweglichen Linse überschneiden. Da es sich dabei um eine noch nie dagewesene Konstruktion handelte, wussten wir zunächst nicht, ob sie überhaupt möglich war.
Yumi Toyoda: Beim Elektronik-/Firmwaredesign hatten wir die Aufgabe, ein Steuersystem zu entwickeln, das Zusammenstösse zwischen der Fokus-Einheit und den beweglichen Linsen verhindert. Um die beweglichen Linsen mit den beiden Nano-USMs mit höchster Präzision zu steuern, haben wir den Steuerungsalgorithmus verbessert und so die Steuerung einer komplexen Gruppe von Linsen ermöglicht.
Und was ist mit der Bildstabilisierung?
Nagaoka: Der optische Bildstabilisator des EF 400mm f/2.8 L IS III USM Objektivs war der Ausgangspunkt unseres Designs. Wir haben einen neuen Antrieb entwickelt, der für das Gewicht und den Bewegungsumfang der beweglichen Linsengruppen optimiert wurde – einer der höchsten Werte überhaupt – um dem IS die nötige Reaktionsgeschwindigkeit zu geben. Das RF 100-300mm F2.8 L IS USM selbst bietet einen optischen 5,5-Stufen-IS, der mit einer Kamera mit kamerainterner Bildstabilisierung (IBIS) auf 6 Belichtungsstufen erhöht wird.
Toyoda: Der koordinierte IS hat es möglich gemacht, Verwacklungsinformationen über Kamera und Objektiv hinweg genau zu erkennen und zu korrigieren. Grundlage hierfür sind die Gyrosensoren an Kamera und Objektiv sowie der Beschleunigungssensor der Kamera und die Live-View-Bilder. Um niederfrequente Wackler zu erkennen, z.B. Bewegungen des gesamten Körpers bei Freihand-Aufnahmen, haben wir das RF 100-300mm F2.8 L IS USM so konstruiert, dass es von vorn herein gegen solche niederfrequente Wackler resistenter ist.
Entwicklung der neusten Canon Technologie
Die koordinierte Bildstabilisierung nutzt auch die Vorteile der Kameraentwicklung, nicht wahr?
Toyoda: Das ist richtig. Das gilt besonders für das RF Bajonett, mit dem die Kommunikationsgeschwindigkeit zwischen Kamera und Objektiv im Vergleich zum EF Bajonett deutlich gesteigert wurde. Informationen zu Fokus, Zoom, Blende und Objektivfehlern sowie IS-Informationen werden praktisch in Echtzeit ausgetauscht.
Wie konntet ihr die Grösse und das Gewicht im Vergleich zu anderen Supertele-Zoomobjektiven so stark reduzieren?
Nagaoka: Das RF 100-300mm F2.8 L IS USM ist mit zwei Nano-USMs mit Linearantrieb ausgestattet. Die Nano-USMs verbessern die Agilität der Vor- und Zurück-Bewegungen, und die mechanische Struktur des Fokusantriebs wurde vereinfacht, was zur Gewichts- und Grössenreduzierung beiträgt.
Katayose: Was das optische Design betrifft, so haben wir durch die Platzierung von drei aufeinander folgenden konvexen Linsen nach dem vorderen Element den Durchmesser der weiterführenden Linsen so weit wie möglich reduziert. Wir haben die Anzahl der Linsen reduziert, indem wir asphärische Linsen mit grossem Durchmesser aus gepresstem Glas (GMo) verwendet haben. Bei der Auswahl der Glasmaterialien berücksichtigten wir neben den optischen Eigenschaften auch das spezifische Gewicht und arbeiteten daran, die Dicke der konkaven Linsen zu verringern, was zu einer verbesserten Abbildungsqualität und einer erheblichen Gewichtsreduzierung führte.
Ken Uraba: Bei der Objektivverarbeitung haben wir unser gesamtes Know-how genutzt, einschliesslich der hochpräzisen Bearbeitungstechnologie für grosse asphärische Linsen in unserem Werk in Utsunomiya. Die Verbesserung der Oberflächengenauigkeit von verdünnten konkaven Linsen bis nahe an die Verarbeitungsgrenze trug wesentlich zur Gewichtsreduzierung und zur Verbesserung der Abbildungsqualität bei.
Wie verhält sich die Gewichtsreduzierung zu Benutzerfreundlichkeit, Robustheit und Ergonomie?
Asami: Auch wenn wir sagen, dass das Objektiv leichter und kleiner ist, glaube ich, dass die Benutzer den Unterschied zwischen dem reinen Gewicht und einer guten Handhabung des Objektivs verstehen. Deshalb haben wir darauf geachtet, ein Objektiv zu entwickeln, das sich beim Halten zusammen mit der Kamera leicht anfühlt und einfach zu bedienen ist.
Masaaki Igarashi: Bei der Platzierung der Objektivfunktions-/Fokusvorwahltaste wurde sorgfältig darauf geachtet, die optimale Position für die Fingerspitzen der rechten Hand zu finden, um die Bedienung so intuitiv wie möglich zu machen.
Welche neuen Aufnahmemöglichkeiten ergeben sich daraus?
Asami: Dank der verbesserten Mobilität und Tragbarkeit erwarten wir, dass dieses Objektiv in der Presse- und Wildlife-Fotografie sowie bei grossen Sportturnieren eingesetzt wird.
Hayakawa: Die Reichweite des RF 100-300mm F2.8 L IS USM kann mit dem Canon Extender RF 1.4x auf 140–420mm erweitert werden und mit dem Canon Extender RF 2x auf 200–600mm. Die Möglichkeit, das Objektiv mit Extendern zu verwenden, wird das Gewicht und die Grösse der Objektive, die man beim Shooting mit sich führen muss, [drastisch] reduzieren und den Transport erleichtern.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr mit diesem Objektiv erreicht habt, was ihr euch vorgenommen habt?
Asami: Ich denke, dass wir ein Objektiv geschaffen haben, mit dem sowohl professionelle Fotografen als auch anspruchsvolle Amateure glücklich werden. Ich hoffe, dass die Benutzer das Objektiv in die Hand nehmen und den Fortschritt bis ins Detail spüren und ihre Aufnahmemöglichkeiten weiter ausbauen.
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